#eSeLSCHWARM feat. LAchs: Was für ein Theater? V

eSeL Foto: Hallimasch Komplex: Mushed Rooms (Schauspielhaus, 23.-27.02.2022)
eSeL Foto: Hallimasch Komplex: Mushed Rooms (Schauspielhaus, 23.-27.02.2022)


Nachdem ich versucht habe zu kategorisieren welche Arten von Darbietungen man im Theater sehen kann, bin ich von einem neuen Genre überrascht worden. Ich habe begonnen, in klassischen Vorstellungen und Performances einzuordnen, was ich sehe. Dann bin ich zu Hallimasch Komplex – »mushed rooms« ins Schauspielhaus Hotel gegangen, habe zuerst dem Ensemble beim Spielen zugeschaut und wurde dann selbst Teil des Geschehens. Für diese Art der Vorstellung ist mir noch keine Kategorie eingefallen, aber es war hervorragend.

Zum Aufwärmen wurde zuerst eine Geschichte gespielt. Man hat aber schon ahnen können, dass es kein ganz gewöhnlicher Theaterabend wird, weil das Publikum wie im Burgtheater Kasino auf einer Tribüne gesessen ist. Außerdem hat das Stück nicht im großen Saal begonnen. Nachdem man auf den Holzstufen Platz genommen hat, wurde durchgesagt, dass man sich ins Foyer begeben soll. Dort hat man einen der Protagonisten kennengelernt, mit dem man im Rahmen der Vorstellung gemeinsam zur Hauptbühne gegangen ist.

Nach einem kurzen Vorstellungsteil wurden persönliche Fragen an das Publikum gestellt. Man hat sie räumlich beantwortet, indem man sich zuerst auf der Tribüne und später auf der Bühne selbst immer verschieden positioniert hat. Im vorigen halben Jahr hat das Schauspielhaus Hotel mehr als nur einen Vorstellungsraum für das Publikum zu bieten gehabt. Es wurde provisorisch umgebaut, und einige Gästezimmer wurden vorübergehend eingebaut. In vielen waren Künstler:innen mit ihren Konzeptionen zu Gast.

eSeL Foto: Hallimasch Komplex: Mushed Rooms (Schauspielhaus, 23.-27.02.2022)
eSeL Foto: Hallimasch Komplex: Mushed Rooms (Schauspielhaus, 23.-27.02.2022)

Im Februar war aber die „Gastfreundschaft“ des Ortes schon fast erschöpft, und der Hallimasch Komplex hat begonnen, alles zu vereinnahmen und umzuwandeln. Er war als violetter Pilz an einigen Stellen des Hauses sichtbar. Es war das zentrale Thema des Bühnenbilds, wobei bei dieser Vorstellung die Konzepte „Bühne“ und ihr dazugehöriges Bild, das „Bühnenbild“, neu gedacht wurden: Die Bühne war das ganze Haus, und somit wurde es auch ästhetisch vereinheitlicht. Die violette Überwucherung hat dem Konzept einen roten Faden gegeben.

Während der Abendvorstellung hatte man die Gelegenheit, das Schauspielhaus Hotel zu erkunden. Man ist kollektiv ausgeschwärmt und hat sich auch über die Schwarmintelligenz versucht zu erklären, was in den anderen Zimmern dargestellt wird oder vor sich geht.

Im Anschluss wurden einige persönliche Fragen gestellt, woraufhin man je nach Antwort in verschiedene Gruppen unterteilt wurde. Diese wurden jeweils in eines der Gästezimmer gebeten, in denen die Vorstellung partizipativ in mehreren Verzweigungen weitergegangen ist.

Unterschiedliche Teile des Publikums haben also verschiedene Vorstellungen gesehen. Man wusste auch, dass man mit allen Personen, die mit einem im Raum sind, denselben Berührungspunkt hat. In einer Angelegenheit ist man sich also einig. Doch kein so tiefer Spalt in der Gesellschaft, wie meine Frühstückslektüre immer tut…

eSeL Foto: Hallimasch Komplex: Mushed Rooms (Schauspielhaus, 23.-27.02.2022)
eSeL Foto: Hallimasch Komplex: Mushed Rooms (Schauspielhaus, 23.-27.02.2022)

Nachdem man wieder zurück in den Vorstellungsraum gegangen ist, wurden weitere persönliche Fragen gestellt und man hat sich immer rechts oder links für die Antworten ja und nein positioniert. Dabei wurden persönliche Themen angesprochen und man hatte nach einer Zeit das Gefühl, die anderen Personen ein bisschen zu kennen. Es wäre leicht gewesen ein Gespräch zu beginnen, weil man schon gemeinsame Anknüpfungspunkte hatte. Diese Erfahrung hat allen Anwesenden auch eine Gemeinsamkeit gegeben. Wir sind zu einem Kollektivkörper geworden.

Zum Schluss wurde noch gemeinsam getanzt und ein Band zwischen allen Anwesenden geknüpft, also ein Wollknäuel so geworfen, dass alle darin verworren waren. Das Publikum wurde immer mehr in den Abend verstrickt, als es am Ende teilweise fast von den Geschehnissen gefesselt war.

Nachdem das Schauspielhaus Hotel im März das Ende dieses Konzepts feiert, bleibt es spannend, was darauf folgen wird. Die „Hotellerie“ wird gestrichen, aber was kann an ihre Stelle treten?

Diese Erfahrung hat mich gelehrt, dass man nicht jedes Erlebnis in juristischer (oder österreichischer) Manier in eine Schublade stecken muss. Man weiß nicht genau, was es ist, und das ist gut so.


- Was für ein Theater? – Teil 1
- Was für ein Theater? – Teil 2
- Was für ein Theater? – Teil 3
- Was für ein Theater? – Teil 4

Text: LAchs

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