#eSeLSCHWARM feat. LAchs: Was für ein Theater? III

eSeL Foto: brut Nordwest (2021) eSeL Foto: brut Nordwest (2021)


Drama will ich in meinem Leben immer vermeiden. Dafür habe ich das Theater. Ich will kein Drama erleben, sondern es fühlen, deshalb gehe ich ins Theater. Dort bekomme ich es bestimmt immer geliefert, weil Texte, die geschrieben werden um auf der Bühne aufgeführt zu werden, zur literarischen Gattung der Dramen gehören. Deshalb findet man im Theater immer Drama. Das macht klar, woher der/die DRAMAturg:in seinen/ihren Namen hat. Sie wählen für Institutionen die Stücke aus, die gespielt werden sollen; erstellen also den Spielplan. Oft übernehmen sie auch Teile des Marketings und sind an der Erarbeitung des Stück selbst, bis hin zur Vorstellung, beteiligt.

Ist dann alles tiptop ausgearbeitet und es kommt der Tag der Aufführung, aber eine Textpassage wird während des Spiels vergessen, kommt der/die Souffleur/euse zum Einsatz. Auf oder vor der Bühne ist oft eine Einbuchtung, in der diese/r Einsager:in sitzt und aufmerksam das Stück verfolgt. Manchmal wird auch von hinter der Kulisse oder vom Bühnenrand aus eingeflüstert. Weiß ein/e Schauspieler:in einmal nicht weiter, muss sofort reagiert und so eingesagt werden, dass es dem Publikum nicht auffällt. Für mich ein Grund mehr, das Theater zu mögen: Es ist ein Ort, an dem Personen fürs Einsagen bezahlt werden.
Mir ist noch nie aufgefallen, dass während eines Stücks eingeflüstert wurde. Auch nicht, dass sich jemand im Text geirrt hätte. Man schaut dort eben Profis bei der Arbeit zu.
In der Schule habe ich auch in der Theatergruppe gespielt, und unsere Abmachung war, dass wir versuchen, falls Fehler passieren, sie in die Handlung zu integrieren und nicht auffallen zu lassen. Schauspieler:innen, die für diese Kunst bezahlt werden, haben diese Praktik gemeistert, die zur Anwendung kommt, falls sie überhaupt Fehler machen.



Klar in der Sprache, kontrovers im Inhalt. Das sind Theaterstücke oft. Ich bin überzeugt, dass Dramaturg:innen diesen Hang zu Kontroversen verinnerlicht haben.

Bei manchen Events liest man, der Eintritt zur Ausstellungssführung wäre mit gültigem Museumsticket kostenlos. Auch das Theater hat diese Praktik übernommen und neulich konnte man lesen: die Sonderausstellung ist mit gültigem Theaterticket kostenlos.
Diese Absurdität kann man beliebig variieren. Das 1+1 gratis Format mit den Optionen:

  • Vorstellung bezahlt, Ausstellung gratis
  • Ausstellung bezahlt, Vorstellung gratis
  • Vorstellung bezahlt, andere Vorstellung gratis
  • Ausstellung bezahlt, andere Ausstellung gratis…

Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Das fühlt sich an wie Verlängerter für 5€ mit gratis Kuchen dazu.
Im Klartext muss es heißen: der Eintritt zum Theaterstück wird in Kombination mit dem Ausstellungsbesuch angeboten. Ein Ticket, das zum Eintritt in beides berechtigt, kostet X. Theater kann Sprachakrobatik.

Solche Projekte zeigen ein Stück und eine Ausstellung. Es gibt aber auch Formen, in denen beides verschwimmt. Die Überlegungen darüber, wo die Grenzen liegen, bringen mich zur Frage: Wann ist etwas Theater und wann nicht mehr? Was ist es, wenn es kein Theater ist?
Alles mit Gefühlen und Menschen, die sie uns zeigen, aber sich außerhalb des Rahmens eines klassischen Theaters bewegt heißt Performance. Oft hat sie auch Einflüsse aus der Tanzwelt, die von verschiedenen Stilen gleichzeitig kommen können.

eSeL Foto: brut Nordwest (2021)
eSeL Foto: brut Nordwest (2021)

Performance funktioniert wie ein Auffangbegriff für alles, was nicht in bekannte Kategorien passt. Stellen Personen etwas auf einem Areal dar, was keine klassische Bühne ist, kann es Performance sein.
Sprechen sie dabei kaum oder auf unverständliche Weise, kann es Performance sein.
Gibt es keine klar erkennbare Handlung, kann es Performance sein.
Gibt es Musik nicht nur zum Hören und Fühlen, sondern auch zum Anschauen, kann es Performance sein.
Oder zeigen sie etwas zwischen Tanz und Schauspiel, kann es Performance sein.

Performance kann also vieles sein und verspricht nichts. Ihre Merkmale, die aber nicht zwingend vorhanden sind, sind Diskursivität, (politische) Aktualität und Choreografielosigkeit geprägt von frei zu interpretierenden Handlungs- und Bewegungsanweisungen.

Auf einer Reise wollte ich mich einmal von einer Performance bewegen lassen, was gelungen ist. Viele Menschen sind auf der Ebene gewuselt, während ich in der Galerie gesessen bin. Das Gegenteil der Theatersäle, die ich kenne. Ich musste nicht zu ihnen aufschauen, sondern habe auf sie herabgeschaut. Sie haben sich mir untergeordnet und das Geschehen ist mir zu Füßen gelegen.

21 klassische Balletttänzer:innen haben sich zu eigens geschaffenen Klängen, anders als ihnen gelehrt wurde, bewegt. Sie haben nicht über Gefühle gesprochen, aber sie waren zu sehen. Die Aufführung konnte das Publikum mitnehmen, und mich hat sie abgeholt. Ganz ohne Drama.


- Was für ein Theater? – Teil 1
- Was für ein Theater? – Teil 2

Text: LAchs

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