#eSeLSCHWARM feat. LAchs: Was für ein Theater? IV

eSeL Foto: CIVA Festival – Embodied Structures (Belvedere 21, 18.-26.02.2022
eSeL Foto: CIVA Festival – Embodied Structures (Belvedere 21, 18.-26.02.2022


Mir ist aufgefallen: ich habe die selben Hobbies wie ältere Mitmenschen. Eines davon ist ins Theater zu gehen. Dabei macht es keinen Sinn, mit diesen Beschäftigungen bis zur Pension zu warten. Hat man je vor sich ihnen zu widmen, ist die Jugend die beste Zeit dafür. Theaterhäuser bieten einiges, das junges Publikum anspricht.

Das Volkstheater hat sogar einen Ego-Shooter programmiert, mit dem das Publikum während eines Stücks verhasste Personen abgeschlachtet hat und das bei weiteren Vorstellungen in der Dunkelkammer tun kann. Was nach dem Lesen der Stückbeschreibung wie ein passiver Theaterabend geklungen hat, hat sich als performative und interaktive Zeit herausgestellt. Und da man seit 2021 auch Experimental Games Culture an der Universität für Angewandte Kunst studieren kann, wird man diese Art von Projekten hoffentlich öfter sehen. Mögen die Wiener Theaterhäuser deren Absolvent:innen in Zukunft Arbeitsplätze bieten!

Das Stück selbst war sehr brutal und radikal. Der Name nimmt es vorweg, aber ich habe mich dann dennoch gefragt, ob man denn alles töten muss, was einem unsympathisch ist.

eSeL Foto: CIVA Festival – Embodied Structures (Belvedere 21, 18.-26.02.2022
eSeL Foto: CIVA Festival – Embodied Structures (Belvedere 21, 18.-26.02.2022

Eine zusätzliche Vorstellung davon wird im Rahmen des CIVA Festival zu sehen sein. Es ist eine Veranstaltungsreihe, die sich verändernde Körperidentitäten in einem digitalen Kontext präsentiert. Das Volkstheater hat im Rahmen dieses Festivals zwei Stücke gezeigt: „Zertretung“, in der das Publikum den Egoshooter gespielt hat. Im Computerspiel ist man durch Körperorgane gereist. Ein anderes war das Stück „Drei Schwestern“. Das Bühnenbild war teils digital, und die Körperlichkeit der Darsteller:innen war mitunter Thema der Vorstellung. So hatten sie beide Stücke einen körperlich-digitalen Bezug. Außerdem sind beide zwar Teil des regulären Spielplans, wurden aber dennoch in das Programm des CIVA Festivals eingebettet. Zwei in einem?

Theaterprogramm kann in jedem Alter ansprechend sein, sofern man bereit ist, sich auf neue Inszenierungen einzulassen. Im Nachgespräch zu „Drei Schwestern“ wurde kritisiert, dass das Stück nur auf junges Publikum abziele. Im Gespräch ist durchgeklungen, dass der Auftritt eine Herausforderung für Teile des Ensembles war, weil das Stück von einer vorgefertigten Tonspur begleitet wurde. Es war auch fürs Publikum ungewohnt, eine künstliche Stimme Text sprechen zu hören. Schauspieler:innen nimmt die zuvor aufgenommene Sequenz die Spontanität und Flexibilität. Zumindest hat sich der Arbeitsaufwand gelohnt. Der Effekt ist beeindruckend.

Am Eröffnungstag wurde ein Film im Blickle Kino des Belvedere 21 gezeigt, der Teil der Ausstellung im Rahmen des CIVA Festivals ist. Man kann ihn gemeinsam mit den anderen Arbeiten im Untergeschoss bis Samstag sehen. Auf der Kinoleinwand war Glitch Feminism, der gezeigte Film, wesentlich vereinnahmender. Man sollte sich generell keine Gelegenheit entgehen lassen, etwas in diesem Kinosaal anzuschauen, allein wegen seiner Originalbestuhlung aus den 50er Jahren.

Im perfekten Setting konnte ich also den Fehlern (glichtes) folgen, die die Filmemacher:innen im Feminismus erkannt haben. Inhaltlich habe ich mich abgeholt gefühlt, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass die Idee in der Umsetzung leicht zu konsumieren war. Angelehnt daran, was man in sozialen Netzwerken sieht, kamen viele GIFs und Inhalte in schlechter (Bild)qualität vor. Klar, dass es zum Konzept eines zeitgeistigen Films gehört, aber vielleicht wäre eine ästhetischere Umsetzung leichter zu konsumieren.

eSeL Foto: CIVA Festival – Embodied Structures (Belvedere 21, 18.-26.02.2022)
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Die Ausstellung im Belvedere 21 im Rahmen des CIVA Festivals, die auch durch verschiedene Touren erkundet werden konnte, war ein ganz eigenes Erlebnis. Filmarbeiten sind zu sehen und Computerspiele (oder so) können in den Ausstellungsräumen gespielt werden. Trotz vieler digitaler Elemente berühren einen die Arbeiten und verleiten zum Nachdenken, wenn man sich auf sie einlässt. Sie haben keinen reinen Entertainmentcharakter, der einen durchs Mitmachen unterhalten soll, sondern wollen einem einen Gedanken vermitteln. In Wahrheit gibt es viel zwischen einem Video einerseits und einer virtuellen Welt, durch die man gehen kann und in der Aktionen gesetzt werden können, andererseits, also nicht unbedingt Computerspiele im klassischen Sinn.

Am Ende der Ausstellung wird ein großes Kunstwerk in Form eines Videospiels gezeigt, das vor Ort gespielt werden kann. Zu Hause kann es fortgesetzt werden, dort ist auch der Multiplayermodus verfügbar. Es ist aber kein leichter Zeitvertreib zur Ablenkung, sondern konfrontiert einen mit tiefgründigen Fragen über das Leben.

Zu weiteren tiefgründigen Überlegungen hat mich die Performance am Eröffnungstag angeregt, im Rahmen derer man mittels einer App mit Performer:innen interagieren konnte. Sie hat im Untergeschoss des Hauses stattgefunden, und man wusste gar nicht so genau, wer gerade performt und wer nicht. Ausstellungsstücke waren so platziert, dass Tafeln in den Raum geragt sind und man sich räkeln musste, um nicht gegen sie zu stoßen. Auch die Performer:innen haben sich verbogen. Womöglich haben sich Gäste in ihrem Recht auf Datenschutz verletzt gefühlt, als ich mein Handy auf sie gerichtet habe. Allein das Herausfinden, wer Teil der Performance ist und wer nicht, gibt einem ein anderes Gefühl, als räumlich entfernteren Personen dabei zuzuschauen, wie sie einem etwas vermitteln wollen.
Darbietungen auf einer Bühne erzählen eine Geschichte und sich bewegende Personen unmittelbar vor einem geben einem eher ein Gefühl. Durch die Interaktion mit der App war es auch ein Gefühl von Macht bei Besucher:innen, das die Überlegung mit sich gebracht hat, wie weit man damit gehen könnte. Wie viel Kontrolle ist in Ordnung, und wann wird es übergriffig?

eSeL Foto: CIVA Festival – Embodied Structures (Belvedere 21, 18.-26.02.2022)
eSeL Foto: CIVA Festival – Embodied Structures (Belvedere 21, 18.-26.02.2022)

Nachdem man mit echten Personen über sein Handy interagiert hat und in weiterer Folge dann zu den Videospielen gelant, erkennt man Ähnlichkeiten. Das Handy war der Controller. Mit dem Joystick in der Hand fragt man sich, wieviel die Avatare im Videospiel mit Schauspieler:innen gleich haben. Oder umgekehrt? Sind sie sogar miteinander im Dialog, oder sogar verwoben? Das CIVA Festival lässt Besucher:innen viel Interpretationsspielraum. Vor allem der visuell kohärente Auftritt des Festivals bringt einen roten Faden.
Beim Gespräch mit anderen über das Gesehene, bekommt man viele weitere Ideen und Blickwinkel vermittelt. Deshalb war das Angebot geführter Touren zu dieser Ausstellung besonders hilfreich.

Heuer war das Publikum bunt durchgemischt. Ich konnte mit Personen verschiedener Herkunft und verschiedenen Alters meine Eindrücke teilen. Vielleicht haben sich auch jüngere hin getraut, weil es kein klassisches Theater ist, sondern digitale Aspekte miteinbezogen wurden. Das CIVA Festival hat gezeigt, wie man gedachte Grenzen überschreiten kann und jede Kunstform neu, anders und spannend darstellen kann. Es sollte uns dazu inspirieren, nicht in festen Kategorien zu denken uns für Formate zu interessieren, auf die wir uns bisher nicht eingelassen haben. Gut umgesetzt kann jede Kunstform einen Mehrwert bieten.

Es bleibt spannend zu beobachten, wohin sich digitale Festivals weiterentwickeln. Das diesjährige CIVA Festival gibt es noch bis Samstag, 26.2. zu erkunden.


- Was für ein Theater? – Teil 1
- Was für ein Theater? – Teil 2
- Was für ein Theater? – Teil 3

Text: LAchs

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