Wer darf Kanon?

eSeL Foto: Averklub Collective. Manuš heißt Mensch (Kunsthalle Wien, 2.6. - 5.9.2021) 
eSeL Foto: Averklub Collective. Manuš heißt Mensch (Kunsthalle Wien, 2.6. - 5.9.2021)

Erinnert sich jemand noch an die diskursiven Cybernetics of the Poor? Die spröde Macht-des-Diskurses-Zurschaustellung hätte ursprünglich mit voller Absicht parallel zur gänzlich anders gestrickten „Feathers“-Festwochen-Ausstellung in der Kunsthalle Wien laufen sollen, um zeitgenössisches Ausstellungsmachen als vielstimmiges Nebeneinander von wohl durchdachten Strategien sichtbar zu machen.

Wer den kolonialisierungs-gebeutelten Kunstpraktiken der Feathers-Künstler:innen, die dank Reopening erst jetzt im Obergeschoss der Kunsthalle Wien an Sinne und Bauchgefühl appellieren, vorwirft, zu wenig westeuropäische Kunstgeschichte intus zu haben, kann mit dem nächsten kuratorischen Puzzlestein „Manuš heisst Mensch“ das Meta-Konzept des Leitungstrios WHW (What? How? & for Whom?) zum Neustart der Kunsthalle Wien nun besser erahnen.

Seit dieser Woche läuft im Kunsthalle-Erdgeschoss eine Ausstellung des Averklub Collectives, das mit seiner multiperspektivischen Praxis mit (und für) Menschen vor allem am Aufzeigen struktureller Ungerechtigkeit gegenüber Rom*nja interessiert ist. Man lernt nicht nur, warum jemand Wert darauf legt, selbst auszusuchen wie man/mensch/frau bezeichnet wird (und v.a. behandelt werden sollte), sondern auch Grundlegendes über Mechaniken von Ausgrenzung in unser aller Gegenwart .

Auf „Autor:innenschaft“ wird hier ebenso bewusst verzichtet, wie auf eine „Kunstgeschichte der Rom*nja“ – und eigentlich auch auf „Kunstwerke“: „Die Geschichte der Kunst ohne Geschichte und ohne Kunst“ heißt die Sektion folgerichtig in der Schau. Die hier willkürlich aufgereihten Büsten zeigen, wie wir Zusammenhänge herbeidenken, zu denen es keine einheitliche, „kanonisierte“ Herstellungs- und/oder Herzeigepraxis gibt. Man einigt sich vielmehr auf ein (Spinn)Rad als identitätsstiftendes Flaggen-Symbol und zeigt auch einfach nur Kreatives.

Dass man dafür ganz schön tief im Textbegleitheftchen lesen muss, wirkt paradox. Aber wie raffiniert tief Ausbeutung trotz „Solidarität“ im Politiker:innenmund wirkt (auch in der Kunst) und schöngeredet wird ist – um einen anderen Bundeskanzler herbeizuzitieren – eben verdammt „kompliziert“. Ja, der Postkolonianismus ist es auch - aber früher war eben nicht alles besser - und viel davon wirkt noch heute beinhart nach. Man kann sich trotzdem „nur“ gezielt auf Videos, Themenblöcke oder die wunderschön frei gehängten Displaybretter einlassen – oder die Strategien der beiden Kunsthalle-Stockwerke miteinander vergleichen. Donnerstags ist der Eintritt ab 17 Uhr übrigens weiterhin frei.

Averklub Collective. Manuš heißt Mensch

Schließen
Zum eSeL Twitter Kanal


Mehr Informationen finden Sie in unserer Daten­schutz­erklärung
Schließen
Zur eSeL Facebook Page


Mehr Informationen finden Sie in unserer Daten­schutz­erklärung
Die Webanalyse durch Google Analytics wurde deaktiviert.