Phantome. Metamorphosen. Animismus im Film

Sonntag, 22. Januar 2012 - 13:00 Uhr

Filmcasino

Phantome. Metamorphosen. Animismus im Film

Filmprogramm zur Ausstellung Animismus.
Moderne hinter den Spiegeln in der Generali Foundation
16.09.2011 - 29.01.2011


13 Uhr: Benjamin Christensen – Häxan (Hexen)
Häxan (Hexen) DK 1922, Farbe, Schwed. ZTmeU, ca. 106 min; Regie, Drehbuch: Benjamin Christensen; Kamera: Johan Ankerstjerne; Mit Benjamin Christensen, Ella la Cour, Emmy Schønfeld, Kate Fabian, Oscar Stribolt

Live-Filmvertonung von Angélica Castelló (Elektronik, Blockflöten, Paetzolds, Ukulele, Tapes, Toys)


Der siebenteilige Film des Dänen Benjamin Christensen, zwischen 1919 und 1921 gedreht, tritt zunächst wie ein verstaubter Lehrfilm zum Thema Hexen auf. Der pseudowissenschaftliche Duktus wird aber bald durchbrochen. Plötzlich werden in Spielfilmszenen Hexenverfolgung und Inquisition nachgestellt, und statt abgefilmter Buchseiten und Tableaus mit trockenen Kommentaren kommen unschuldige Frauen und böse Mönche auf die Leinwand. Die Angeklagten werden zu Geständnissen gezwungen, aber Satan und seinen Gehilfinnen ist natürlich nicht beizukommen, wild feiern sie ihren Sabbath weiter. Nach vollzogenem Autodafé ziehen die Mönche ins nächste Dorf, um das christliche Abendland weiter vom Bösen zu befreien. Ironie und Bildungsauftrag wechseln sich beabsichtigt oder unbeabsichtigt ab und schaffen so ein faszinierendes Zeitdokument, dessen Machart ihm bis heute einen Spitzenplatz in vielen Kategorien des Best-of aller Stummfilme eingebracht hat. (wbd)

Es ist verständlich, warum die Surrealisten Häxan so sehr geschätzt haben. Natürlich kam ihnen die rückhaltlose Kritik der Geistlichkeit sehr entgegen; ein Aspekt des Films übrigens, der es dem Filmverleih in manchen Ländern nicht leicht machte. Wenn man Häxan heute anschaut, dann gibt es entbehrliche Elemente, besonders wenn sich der Film in den Bereich der damals revolutionären Erklärungen der mittelalterlichen Hexenangst begibt, und zwar aus der Sicht von Sigmund Freuds Theorien zur weiblichen Hysterie. Die Frauenfeindlichkeit der Diskussion wird dabei ausgespart. Aber sogar wenn der Film in die diskursiven Fallen tappt, die heute natürlich offensichtlicher sind als im Jahre 1922, ist Häxan immer noch ein mutiger und nachhaltig überzeugender Film, der zwischen dem echten Anliegen der Geschichtsforschung und der unvermeidbaren Blutrünstigkeit der Thematik den Spagat schafft. (James Kendrick)

Es gibt Filme, die sowohl berühren als auch „etwas anderes“ mit dem Publikum tun, Filme, die sich der herkömmlichen Genre-Zuordnung widersetzen, mit denen wir versuchen, der Filmgeschichte und der Filmkultur einen Sinn zu geben. Diese Filme haben Anteil sowohl an der Hochkultur als auch am Trash. Das ist vielleicht die beste Beschreibung von Häxan, weil der Film versucht, mit sehr eindringlichen Bildern aufzuklären – manchmal aber auch mit grauenhaften, geschmacklosen Bildern, die beklemmenden Horror verursachen, nur um des Horrors willen. (Joan Hawkins)


15 Uhr: Trancen, Widerstand – Filmprogramm
De Dentro Peter-Conrad Beyer; D 2006, s/w & Farbe, 10 min
Les Maîtres fous Jean Rouch; F 1955, Farbe, FrzOFmeU,
36 min, Regie, Kamera: Jean Rouch; Schnitt: Suzanne Baron
Rakkaus on aarra (Love Is a Treasure) Eija-Liisa Ahtila; FIN 2002, Farbe, Finn. OFmeU, 57 min; Regie, Drehbuch: Eija-Liisa Ahtila; Kamera: Arto Kaivanto; Schnitt: Tuuli Kuittinen; Sounddesign: Peter Nordström; Mit Amira Khalifa, Ullariikka Koskela, Marjaana Kuusniemi, Marjaana Maijala, Minttu Mustakallio



In Les Maîtres fous zeigt Jean Rouch Haukas, eine zur Zeit seiner Filmarbeiten (1955) verbreitete Sekte in Afrika, die während einer Performance, in ihrer Trance, bestimmte, vorher vereinbarte Rollen des kolonialen Machtapparats übernehmen (die Lokomotive, der General, der Sergeant, die Frau des Arztes usw. … ) und auf diese Weise ihre Unterdrückung „selbsttherapeutisch“ auf-/bearbeiten. Rouchs Film war zunächst in manchen Ländern Afrikas von den Kolonialmächten verboten worden, da sie eine gezielte Insubordination vermuteten. Dabei war nach bestimmten Lesarten das Gegenteil der Fall: Die Afrikaner wollten durch die Übernahme erkennbarer Schlüsselrollen den dargestellten Personen Respekt erweisen und auf diese Weise ihre eigene Identität aufwerten. Den dabei von den Schauspielern zutagegebrachten Humor vergleicht Jean-Pierre Rehm (FIDMarseille) mit Elementen der Commedia dell’Arte. Was bleibt, ist ein tranceartiger Zustand der Akteure während einer äußerst kräfteaufreibenden Performance, die die Ungerechtigkeit der Fremdbestimmung mit grotesken Pantomimen und Lautmalereien vor Publikum reflektiert. (wbd)


Jean Rouch, Les Maîtres fous, F 1955 © Les Films du Jeudi

Peter-Conrad Beyers Film De Dentro, der fast ausschließlich in Mexiko gedreht wurde, beschäftigt sich mit der spirituellen Kraft dieses Landes. Auf teilweise dokumentarischer, teilweise physischer Ebene versucht De Dentro verschiedene Rituale der schamanischen Mayatradition und der im Norden lebenden Huicholes (Peyoteros) darzustellen bzw. erfahrbar zu machen. Die uns bekannte rationale äußere Welt verschmilzt mit dem inneren Raum, der sich mit Worten schwer beschreiben lässt. (Lightcone Katalog)


Peter-Conrad Beyer, De Dentro, D 2006 © Light Cone

In Eija-Liisa Ahtilas Rakkaus on aarra (Love Is a Treasure) bringen fünf Episoden über Frauen mit Psychosen die Welt der Ordnung und der Unordnung, „the other dimensions“, miteinander in Beziehung. Eine Frau sucht unter dem Bett Schutz vor Killern, die vom Korridor aus eindringen könnten, eine zweite unterstützt die Landung Außerirdischer, die dritte Protagonistin kann nur auf allen Vieren über eine Brücke kriechen, zu bedrohlich sind Bilder aus ihrer Vergangenheit. Wut und Zorn verwandeln sich bei einer vierten Frau in mächtige Windstöße, die ihre ganze Wohnung zerstören. In der letzten Episode usurpieren von außen kommende Geräusche das gesamte Haus, das schließlich abgedunkelt wird und sich nur so in die Vorstellungswelt der fünften Frau fügen kann. Die Studien stellen eine Welt in Frage, in der wir, die anderen, scheinbar ohne Probleme leben. Es gehen Bedrohungen von dieser Welt aus, gegen die sich die Frauen schützen wollen. Die Lebendigkeit der Bedrohungen verursacht pathologische Reaktionen. Die Hilfe, die es gibt, wird nur teilweise angenommen. (wbd)


Eija-liisa Ahtila, Rakkaus on aarra (Love is a Treasure), FIN 2002 © Light Cone

16.45 Uhr: Nina Menkes - Phantom Love
Phantom Love USA 2007, s/w, Engl. OF, 87 min; Regie, Drehbuch, Schnitt: Nina Menkes; Kamera: Nina Menkes, Chris Soos; Mit Marina Shoif, Juliette Marquis, Yelena Apartseva, Bobby Naderi

Wie so oft bei Nina Menkes begegnen wir in Phantom Love einer Frau, die versucht, ihr Innerstes gegen jene Gewalt zu schützen, die sich als familiärer und politischer Terror, versklavende Jobsituation und sexuelle Ausbeutung manifestiert. Menkes hat uns schon wiederholt auf diese Reise in die Tiefen des Shadow Feminine, wie sie es nennt, mitgenommen. Doch in Phantom Love begegnen uns reale Bilder und Traumsequenzen in einer neuen, direkten Weise: klarer, deutlicher, in üppigem Schwarz und Weiß, als verstörender Film noir. „Menschen, die bereit sind, den Film zu sehen und den Schmerz, die bereit sind, dessen Dauer und die Dunkelheit zu ertragen, werden eine Mini-Version meines eigenen Prozesses erfahren. Der Film wird genau die Regionen bei ihnen zum Vibrieren bringen, die jetzt blockiert und verletzt sind. Sie können sich damit konfrontieren, oder eben nicht.“


Nina Menkes, Phantom Love, USA 2007 © Nina Menkes

Wie so oft bei Nina Menkes begegnen wir in Phantom Love einer Frau, die versucht, ihr Innerstes gegen jene Gewalt zu schützen, die sich als familiärer und politischer Terror, versklavende Jobsituation und sexuelle Ausbeutung manifestiert. Menkes hat uns schon wiederholt auf diese Reise in die Tiefen des Shadow Feminine, wie sie es nennt, mitgenommen. Doch in Phantom Love begegnen uns reale Bilder und Traumsequenzen in einer neuen, direkten Weise: klarer, deutlicher, in üppigem Schwarz und Weiß, als verstörender Film noir. „Menschen, die bereit sind, den Film zu sehen und den Schmerz, die bereit sind, dessen Dauer und die Dunkelheit zu ertragen, werden eine Mini-Version meines eigenen Prozesses erfahren. Der Film wird genau die Regionen bei ihnen zum Vibrieren bringen, die jetzt blockiert und verletzt sind. Sie können sich damit konfrontieren, oder eben nicht.“ Die Protagonistin in Phantom Love, einem surrealistischen Familiendrama, arbeitet als Croupière an einem Roulettetisch, ist den Übergriffen ihrer Mutter ausgesetzt – eines ihrer Traumbilder ist ein sich windender Oktopus, der seine napfbesetzten Arme immer wieder bedrohlich räkelt – ihre medikamentenabhängige Schwester ist ihr längst entglitten, ihr Liebhaber kopuliert wie eine mechanische Maschine, am Weg in ihr Apartment muss sie einer Riesenschlange ausweichen, die den schmalen Gang fast unpassierbar macht. Menkes beschäftigt sich immer und immer wieder mit der Identität der Frau – der Frau, die gegen ihre eigenen Dämonen und die externe Gewalt kämpft, wobei die Wahrnehmung der Protagonistin zwischen den beiden Bedrohungen nicht immer genau unterscheidet. Traumbilder und Handlungsstränge verbinden sich zu einer Realität, aus der die Zuseher_innen ihre eigene entstehen lassen können. Darin besteht auch die Subversivität der optischen Arbeit von Nina Menkes, der Zauberin unvergesslicher Bilder, die einfangen und nie wieder loslassen und auf diese Weise, mittels demontiertem Narrativ, eindringlichste Geschichten erzählen. (wbd, Der Falter)

Termin

Public Access
Filmscreenings zur Ausstellung Phantome. Metamorphosen. Animismus.
Sonntag, 22.01.2012 13:00
bis Donnerstag, 01.01.1970
Filmcasino
Margaretenstraße 78
1050 Wien
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