Die Wiener Realisten waren eine bedeutsame Gegenbewegung zu den dominanten Kunststilen der Nachkriegszeit. Die Kerngruppe – Georg Eisler, Hans Escher, Alfred Hrdlicka, Fritz Martinz, Rudolf Schönwald und Rudolf Schwaiger – schloss sich 1954 zusammen. Mit dem wichtigen Grafikzyklus „Soldatentreffen“ versuchten sie eine Aufarbeitung des Nationalsozialismus, viel früher als in anderen Ländern.
Im Ausstellungsbetrieb wurden die Realisten ab 1960 bemerkbar. Kunstkritiker:innen reagierten verstört. Eine angebliche Nähe zum propagandistischen „sozialistischen Realismus“ der Stalin-Ära wurde ihnen vorgeworfen, wie auch zum Realismus der Nazidiktatur. Dabei war ihr Realismusbegriff ein ganz anderer. Nicht die Abbildung einer gesehenen Wirklichkeit, sondern die Realität der politischen und sozialen Situation selbst stand im Fokus der Gruppe.
Der Existentialismus war Pate dieses Realismus, der nichts weniger propagierte als ein neues humanistisches Menschenbild. Nicht nur für die Kerngruppe der Wiener Realisten war dieser neue Zugang prägend, er manifestierte sich auch in späteren Tendenzen, die in „Wirklichkeit als Haltung“ ebenfalls auftreten.
In Österreich verband sich die Rückbesinnung auf den Realismus mit internationalen Strömungen wie der Pop Art, dem Kapitalistischen Realismus und dem Fotorealismus der 1960er und 1970er Jahre. So entstanden neue Ausdrucksformen wie der poetische Realismus, die Gruppe der „Wirklichkeiten“ und die Collage, die von den damals neu aufkommenden Medien beeinflusst wurden. Diese künstlerischen Entwicklungen wirken bis heute nach.
Im Katalog behandeln Brigitte Borchhardt-Birbaumer und Berthold Ecker den Begriff des Realismus und die fließenden Grenzen zum Naturalismus mit all seinen Anregungen seit der Antike, vor allem aber dem avantgardistischen Realismus seit Goya und Courbet. Besonderes Augenmerk gilt der Gründungsphase der Wiener Realisten und ihrer Haltung zur Abstraktion und zum Surrealismus Wiener Prägung.
Kurator:innen Berthold Ecker, Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Ausstellungsgrafik Barbara Wais