Für ihr Projekt „Ablenkungsmanöver“ wurde Raffaela Bielesch 2022 mit dem Theodor Körner Preis ausgezeichnet. Die Arbeit verknüpft unterschiedliche Geschichten aus ihrem Heimatdorf Stripfing im östlichen Niederösterreich, die im oder um den Zweiten Weltkrieg angesiedelt sind. Abgeworfene Düppel (Stanniol-Streifen, die das Radar stören) als Christbaumbehang, ein Familiengeheimnis und ein Toter am letzten Kriegstag: Unterschiedliche Erzählstränge verbinden sich zu einem dichten Gewebe, das kein einheitliches Narrativ erzeugt. Vielmehr ist die Künstlerin bestrebt aufzuzeigen, wie Ausnahmesituationen und Konflikte – seien sie gesellschaftlicher wie privater Natur – in vergleichsweise unscheinbaren Situationen des Alltags Ausdruck finden. Sie kristallisieren sich in Orten und Objekten mit Erinnerungswert, die diese Spannungen präsent halten aber auch über ihre alltägliche „Harmlosigkeit“ – gleich einem gekonnten Ablenkungsmanöver – verdecken.
Über eine komplexe Verquickung des Fotografischen und Performativen gelingt es der Künstlerin, einen über die reine Dokumentation hinausgehenden künstlerischen Ausdruck für die Fragen zu finden, die sie bewegen: Welche Artefakte bleiben bestehen? Wie werden diese verwendet? Und was offenbart der spezifische Umgang mit dem Objekt über die unausgesprochenen, teilweise vergessenen dahinterliegenden Geschichten? Die diesjährige Vienna Art Week, die unter dem Motto „Facing Time“ steht, ist daher der ideale Rahmen für die Realisierung des Projektes, das sich auf subtile Weise mit persönlicher wie kollektiver Geschichtsbewältigung auseinandersetzt. Kuratorin Stephanie Damianitsch erweitert das künstlerische Projekt um einen psychoanalytischen Blickwinkel.
Kuratiert von Stephanie Damianitsch.
Mit freundlicher Unterstützung des Theodor Körner Fonds.