Phantome. Metamorphosen. Animismus im Film: "Methamorphosen"

Sonntag, 15. Januar 2012 - 13:00 Uhr

Filmcasino

Phantome. Metamorphosen. Animismus im Film

Filmprogramm zur Ausstellung Animismus.
Moderne hinter den Spiegeln in der Generali Foundation
16.09.2011 - 29.01.2011

15. Januar 2012, 13 Uhr und 15 Uhr
Methamorphosen



13 Uhr: Methamorphosen – Kurzfilmprogramm
In Transit Reinhold Bidner (A 2009), Farbe, 9 min
Selfportrait Maria Lassnig (A 1971), Farbe, 5 min
solo mit chor Karø Goldt (A/D 2004), Farbe, 6 min
Mit Mir Kerstin Cmelka (A/D 2000), Farbe, 3 min
Minds to Lose Neha Choksi (Indien 2008-2011), Farbe, 10 min
La Belle est la Bête Bady Minck (AT/LUX/NL 2005), Farbe, 3 min
Un Monsieur qui a mangé du taureau (The Man who Ate Bull Meat) Anoym/Eugène Deslaw (F 1909/1935), s/w, 7 min
Blue Moses Stan Brakhage (USA 1962), s/w, 11 min
The Red and the Blue Gods Ben Russell (USA 2005), Farbe, 8 min


Reinhold Bidner, In Transit, A 2009 © sixpackfilm

Der Film ist der Souverän in der Kunst, wenn es darum geht „Eines zum Anderen werden zu lassen“. Die Illusion der Verwandlung, die visuelle Begleitung einer Metamorphose – sei es die einer Knospe zur Blüte oder die des Dr. Jekyll zu Mr. Hyde – wir alle haben die Wunder und das Grauen im Kino gesehen. Ein Besuch im Louvre ist anstrengend. Bild um Bild „morpht“ sich in unsere Wahrnehmung, lässt uns ein berühmtes Gesicht für einen Augenblick erkennen, um uns schon wieder das nächste zu zeigen: In Transit begegnen wir den Alten Meistern, von Caravaggio bis Rubens, immer nur einen kurzen Moment. Den Fokus auf nur ein einziges, aber sich ständiges veränderndes Gesicht legt Selfportrait. Die Betrachtung stellt Verbindungen her, die von der göttlichen Garbo bis zur eigenen Mutter reichen, fällt dabei allerdings sehr kritisch aus. Das Gesicht in solo mit chor ist starr, sieht uns unverwandt an und ändert nur ganz langsam und behutsam Farbtöne und Konturen. Man meint das Atmen zu sehen, womöglich ist es aber der eigene Atem. In Mit Mir entsteht nicht nur ein Gesicht, sondern ein ganzer Körper durch die Zauberei des Films, kein Fremd-Körper, sondern der eigene. Eine Frau liebt ihr eigenes Double, sinnlich, in ihrem Bett. Der Stummfilm könnte durchaus schon Jahre vor seiner Zeit entstanden sein – derartige Verdoppelungen waren seit dem frühen Kino beliebte Tricks, die keine andere Performance-Kunst beherrschte. Minds to Lose, ursprünglich als Installation entwickelt, nutzt das Format des Home-Videos, um in einer Performance die familiäre Gemeinsamkeit zwischen Mensch (der Künstlerin), zwei Ziegen, einem Schaf und einem Esel aufzuzeigen, wenn sie, anästhesiert, gleichzeitig das Bewusstsein verlieren. Inspiriert von Kafkas Metamorphosen zeigt sich in La Belle est la Bête im Mund der Schönen ein pelziges Etwas. Der Mensch „im Spannungsfeld zwischen dem animalischen Innen und dem zivilisatorischen Außen“. In Un Monsieur qui a mangé du taureau, einem sprudelnd komischen Kurzfilm aus dem Jahr 1909, vollzieht sich die Metamorphose des Protagonisten noch im Sinne des Theaters: Ein bedrohliches Kostüm mit Hörnern verleiht dem Stierfleischkonsumenten Kraft und so viel Angriffslust, dass der tierische Klamauk erst durch die angeforderten spanischen Matadore in einer wilden Corrida beendet werden kann. Der Stier gibt auf. In Blue Moses finden die Metamorphosen auf vielen Ebenen statt. Die Auftritte des Schauspielers verwandeln und rückverwandeln seine Maske, und gleichzeitig wird das Schau-Spiel selbst demaskiert. Moses deklamiert seine durchaus unbiblischen Texte, und das Publikum wird damit beruhigt, dass hinter allem sowieso ein Filmemacher steht. Ein ethnografischer Forschungsbericht erläutert die Zusammenarbeit von The Red and the Blue Gods beim Bau eines „Sonnenkratzers“, dem Sammeln von Algen und dem wilden Herumrennen am Strand. Die Nixon-Maske des Anthropologen und die Kopfbedeckungen der Gottheiten schaffen Wiedererkennungsmerkmale – etwas verrückt sind sie alle. (wbd)



15 Uhr: Claire Denis – L’Intrus (The Intruder)
L’Intrus (The Intruder) F 2004, Farbe, Frz. OFmeU, 130 min; Regie: Claire Denis, Drehbuch: Claire Denis, Jean-Pol Fargeau basierend auf dem Buch von Jean-Luc Nancy, Kamera: Agnès Godard; Ton: Jean-Louis Ughetto; Schnitt: Nelly Quettier; Musik: Stuart Staples; Mit Michel Subor, Grégoire Colin, Yekaterina Golubeva, Béatrice Dalle

Einleitung durch August Ruhs, Psychoanalytiker, Psychiater



Eindringen heißt Grenzen überschreiten. Der Film beginnt mit einer Zollkontrolle, ein Schmuggler will etwas über die Grenze bringen. Es misslingt, der Drogenspürhund schlägt an. Zuhause, beim Geschirrspülen, wird die Zollbeamtin beim fantasievollen Vorspiel mit ihrem Mann von einem Babyphone unterbrochen. Eine weitere Form des Eindringens findet nicht statt. Ein dunkelhäutiger Fremder wird vom Protagonisten Louis Trébor (Michel Subor) auf seinem Grundstück, in seinem Wald, erwischt, er schneidet ihm die Kehle durch. Auch dieser Versuch des Eindringens scheitert. Er endet mit dem Tod. Ein fremdes Herz im eigenen Körper. Claire Denis bezieht sich auf die Vorlage eines Buchs von Jean-Luc Nancy, der seine eigene Implantation beschreibt. Der Ursprung des eigenen Lebens wird durch etwas Fremdes ersetzt. Eindringlicher ist unmöglich. Trébor hat Geld aus seinem Genfer Bankschließfach abgehoben. Er kauft eine neue Armbanduhr, symbolisch für seine Absicht, sich ein neues Herz einsetzen zu lassen, in Südkorea. Vermutlich sind dort Organe leichter zu bekommen. Eine blinde Masseurin tastet an der frisch vernähten Operationsnarbe des Rekonvaleszenten. Allein die Berührung ist für Trébor unerträglich schmerzhaft. Weitere Grenzen sind zu überschreiten. Trébor reist nach Tahiti. Er hat früher einmal hier gelebt. Er sucht seinen Sohn, den er nie kennen gelernt hat. Ein junger Mann besucht ihn am Krankenbett und erhält ein Geldgeschenk. Trébor geht es nicht gut. Auf dem Schiff, das ihn von Tahiti wegbringt, wird ein Sarg transportiert. Im Leichenschauhaus war ein Körper zu sehen, eine lange, rote Narbe zog sich über den Oberkörper eines blutleeren jungen Mannes. Hat er ein Herz gespendet, hat er eines empfangen? Wie schon öfters begegnen wir einer geheimnisvollen Frau (Béatrice Dalle). Diesmal rast sie mit einem Hundeschlitten durch den Schnee der Schweizer Berge.

„ … der Kameramann dringt tief in das Gewebe der Gegebenheit ein.“ (Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit). Ekkehard Knörer verweist auf dieses Zitat und vergleicht die Arbeit von Agnès Godard, der langjährigen Kamerafrau von Claire Denis, mit der einer Chirurgin, die unter die Haut eindringt, die Körperpartien offenlegt. Es gibt kein Eindringen ohne Schmerzen.

Termin

Public Access
Filmscreenings zur Ausstellung Phantome. Metamorphosen. Animismus.
Sonntag, 15.01.2012 13:00
bis Donnerstag, 01.01.1970
Filmcasino
Margaretenstraße 78
1050 Wien
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