Eine Produktion von toxic dreams
In Koproduktion mit Theater am Werk
Uraufführung
Ich weiß nicht mehr, was hinter dieser Wand ist, ich weiß nicht mehr, dass da eine Wand ist, ich weiß nicht mehr, dass diese Wand eine Wand ist. Ich weiß nicht mehr, dass es in meiner Wohnung Wände gibt und dass es, wenn es keine Wände gäbe, auch keine Wohnung gäbe.
Georges Perec
Du sitzt in deinem Wohnzimmer, in diesem Raum, der dir so vertraut ist, in dem die Familie nach dem Abendessen gemeinsam fernsieht. Plötzlich herrscht ohrenbetäubender Lärm, die Wand deines Wohnzimmers ist weg, das Zimmer füllt sich mit Staub und Schutt, und wo vorher
die Wand war, stürzen Soldaten ins Zimmer, und sie schreien Befehle. Du weißt nicht, ob sie hinter dir her sind, ob sie dein Haus übernehmen wollen, oder es nur zufällig auf ihrem Weg zu einem anderen Ort liegt. Ihre Gesichter sind schwarz geschminkt, Maschinenpistolen sind auf alle gerichtet, Antennen ragen aus ihren Rucksäcken. Sie sehen aus wie riesige außerirdische Käfer, die sich ihren Weg durch deine Wohnzimmerwand bahnten.
Anfang der 2000er Jahre entwickelte die Israelische Armee IDF die Kriegsführungstaktik des „Durch-Wände-Gehens“ für urbane Räume in besetzten palästinensischen Gebieten, die seither weltweit von privaten und staatlichen Militärs eingesetzt und laufend weiterentwickelt wird.
Für UN-WALLING THE WALL baut toxic dreams das Haus/die Wohnung als klassisches realistisches, „lebensnahes“ Theaterelement. Dann macht sich toxic dreams an die Arbeit und demontiert das Haus, zerstört die Wände, das Bühnenbild, live, jeden Abend, in jeder Vorstellung. Anhand des Zerstörungsvorgangs unternimmt die Gruppe eine forensische Untersuchung der Theorie, Praxis und Armeedoktrin des „Durch-Wände-Gehens“ und setzt dabei alle zur Verfügung stehenden Mittel ein – Video, Audio, Special Effects,
Texte, Interviews, Reenactments von Dokumentarmaterial und fiktionalisierte Szenarien.
toxic dreams wurde 1997 von Kornelia Kilga (Produzentin) und Yosi Wanunu (Regisseur und Autor) gegründet. Seither hat die Gruppe mehr als 80 Eigenproduktionen realisiert. toxic dreams erarbeitet in kollaborativen Verfahren im Rahmen von mehrjährigen Arbeitszyklen ästhetisch und formal sehr variantenreiche Formate. Der aktuelle Rashomon-Zyklus widmet sich dem komplexen und widersprüchlichen Prozess der Wahrheitsfindung anhand von Falldarlegungen.