von Wolfgang Menardi
Der Glanz ist dahin, die Monarchie dahin, selbst der Prater, der Hitler und der Haider dahin, kein Felix Austria mehr, kein Weltreich, nix. Im Naturhistorischen Museum schaut makaber der Tod durch alle gläsernen Scheiben der alten Vitrinen, leuchten die Glasaugen der toten Tiere. Die Wiener*innen sind Experten des Konservierens und Spezialistinnen des Scheins. Sie sind umarmende Präparatoren. Und der Tod kann hier lebendiger und kräftiger aussehen als das Leben selbst. Franz Joseph, Maria Theresia, Sisi – alle wohnen sie noch hier, und auch die Geister vom Heldenplatz jubeln und schreien. Die Toten wandeln unter uns, und sie sind sehr munter.
Frau Q. tritt auf. Sie ist so eine Wiener Seele. Und sie ist schon lange allein. Keine Geselligkeit, viel Alkohol. Oberster Stock Gemeindebau, Favoriten. Eine kleine Wohnung, gelb vom Nikotin, das Gesicht grau und die Seele schwarz von der Einsamkeit. Es hängt ein Bild von besseren Tagen an der Wand, direkt neben dem Herrgottswinkel, auf dem ihr Gesicht zu sehen ist, mit roten Backen, blonden Zöpfen und schneeweißen Händen. Fernseher an, Kühlschrank auf, Zigarette an, Bier raus und Schnaps. Zum Fenster mit Häkelgardine und geschlossenem Rollo. Ein kurzer Blick ins Freie: spielende Kinder da draußen. Fenster auf, Hasstirade raus, Fenster zu, Fernseher umschalten, Zigarette, Schnaps und Schrammelquartett. Entspannung. Ein Blick zum Bild, eine Träne im Auge, Heiratsg’schichten, Heimat. Und wieder Tränen. Ein Lachen. Das Rollo hoch, Fenster auf, Tod herein, ein Kuss. Und Frau Q. auf der Fensterbank, lässt los …
Wolfgang Menardi, geboren in Innsbruck, inszeniert zum ersten Mal am Volkstheater. Als Bühnenbildner arbeitete er hier bereits mehrfach, wie auch u. a. am Theater Basel, am Deutschen Theater Berlin, Schauspiel Frankfurt, Berliner Ensemble, Staatsschauspiel Hannover, Schauspielhaus Düsseldorf, Schauspiel Köln und an den Münchner Kammerspielen.