Rainer Bros: You are permanently deceived

Dienstag, 19. September 2017 - 19:00 Uhr

fAN Kunstverein

Rainer Bros Rainer Bros
Lacan und das Phänomen der Mimikry

Dem französischen Schriftsteller und Essayisten Roger Caillois folgend, aber auch empirische zoologisch-ethologische Studien beachtend, sieht Lacan das Wesen der Mimikry nicht in einer Anpassungsfunktion des Organismus, die etwa als Überlebensfunktion zu verstehen wäre, sondern in der Funktion eines Flecks, eines Flecks vor dem Hintergrund der Umgebung, aber auch vor dem Hintergrund eines »es selbst«. Diese Funktion eines primitiven Augenorgans zeige uns, dass vor dem Gesehenen ein »Zu-sehen-Gegebenes« existiere. Und Lacan sieht in dieser Fleck-Funktion, die auch wesensgleich mit der Blick-Funktion ist, nicht nur die Grundlage jener menschlichen Täuschungsmanöver, wie sie uns in Tarnung, Maskerade und Einschüchterung begegnen, sondern auch die Grundlage der Malerei bzw. der bildenden Kunst überhaupt.

Die Maler hätten nämlich immer schon gezeigt, dass man den Blick irgendwie sehen könne, wie etwa in der Funktion der Maske bei Goya. Dieser Blick ist zwar nicht gesehener Blick, aber doch Blick, den man auf dem Feld des Anderen imaginiert. Das Auftauchen des Blicks ist sicherlich die Anwesenheit des anderen als solchen. Seine Existenz liegt aber nicht in einer Beziehung von Subjekt zu Subjekt, wie sie die herkömmlichen Objektbeziehungstheorien verstehen, sondern darin, dass das Subjekt unbewusst auf das sublime Objekt des Begehrens ausgerichtet ist, welches, wie hier der Blick, über den Anderen hinausgeht und ihm ein Mehr an Wert, Bedeutung und Lust verleiht. Das Begehren auf der Ebene des Sehens begnügt sich also nicht mit einer Darstellung des Objekts, wie sie uns durch die geometrale Optik gegeben ist, sondern es begehrt, dem Gesetz des Begehrens folgend, stets etwas anderes. Deshalb stellt die Mimesisfunktion der Kunst, die auf einen Kopiervorgang einer real vorhandenen oder einer vorgestellten Ge-genstandswelt hinausläuft, noch keine wesentliche Kunstfunktion dar. Wie im Phänomen der Mimikry ist die Faszination eines visuellen Kunstwerkes immer auch einer Verfremdungsfunktion geschuldet, die die Frage nach Bedeutung jenseits des Gesehenen aufwirft und die ein Dahinterliegendes verheißt, das der Betrachter stets zu erkennen und zu erfassen wünscht. Die Fabel von Zeuxis und Parrhasios liefert dafür eine eindrucksvolle poetische Illustration. In dieser Geschichte treten zwei Maler in einen Wettkampf ein, wobei der erste Weintrauben so täuschend echt zu malen imstande ist, dass sich Vögel gierig darauf stürzen. Der andere, der schließlich als Sieger von beiden hervorgeht, verbirgt sein Bild scheinbar hinter einem Schleier, und erst wenn man den Schleier wegziehen möchte, merkt man, dass er gemalt ist. Hatte der erste Maler nur Tiere täuschen können, war dem zweiten dies auch bei den Menschen gelungen, weshalb ihm schließlich der Preis zuerkannt wurde. (Auszug aus der Publikation: ?August Ruhs Lacan?, 2010)

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Eröffnung,Rainer Bros
Dienstag, 19.09.2017 19:00
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Praterstrasse 33
1020 Wien
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