Wiener Festwochen: The Conundrum of Imagination

Donnerstag, 18. Mai 2017 - 18:00 Uhr

Leopold Museum

"The Chronist" by Viron Erol Vert "The Chronist" by Viron Erol Vert
On the Paradigm of Exploration and Discovery

John Akomfrah ~ Mathieu Kleyebe Abonnenc ~ Jean-Pierre Bekolo ~ Melanie Bonajo ~ Filipa César ~ Cooperativa Cráter Invertido ~ Ines Doujak & John Barker ~ Viron Erol Vert ~ Ho Rui An ~ Marco Montiel-Soto ~ Dineo Seshee Bopape ~ Abraham Oghobase ~ Ahmet Ö?üt ~ Naufus Ramírez-Figueroa ~ Pascale Marthine Tayou ~ OPAVIVARÁ!

curated by Bonaventure Soh Bejeng Ndikung
co-curated by Pauline Doutreluingne

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Imagination creates the
situation, and, then, the
situation creates
imagination.

It may, of course,
be the other way around:
Columbus was discovered
by what he found.

James Baldwin, Imagination

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Die Festwochen-Ausstellung 2017 umfasst 16 künstlerische Positionen, die im Performeum, dem neuen temporären Performance- Museum der Wiener Festwochen beim Hauptbahnhof im 10. Bezirk, im Leopold Museum und im Stadtraum zu erleben sein werden. Neben den bildnerischen Auftragsarbeiten werden alle 16 Künstler*innen und Künstler*innen-Gruppen auch Performances und Lectures zu The Conundrum of Imagination beitragen und einen ungewohnten, postkolonialen Blick auf das ?Europäische Zeitalter der Entdeckungen? werfen.

In der uns bekannten Geschichte gab es zahlreiche Wellen an Entdeckungsreisen – die Karthager erkundeten 500 v. Chr. Westafrika, die Griechen von 380 bis ca. 310 v. Chr. Nordeuropa, während der Han-Dynastie wurde im 2. Jahrhundert v. Chr. Zentralasien erforscht, die Wikinger erkundeten zwischen 800 und 1040 n. Chr. weite Teile Europas und gelangten sogar bis zum amerikanischen Kontinent, die Polynesier erkundeten vor 1280 den Zentral- und Südpazifik und die Chinesen erforschten im 14. Jahrhundert Süd- und Südostasien sowie die ostafrikanische Küste. Doch das so genannte ?Europäische Zeitalter der Entdeckungen? war das bemerkenswerteste, produktivste und – für einige – das bereicherndste. Zugleich aber auch das verheerendste. Europäische Entdecker wie Columbus, Humboldt, Cão, Cook, Dias, da Gama, Magellan, Vespucci, Tasman und Bering erfassten vom 14. bis ins 19. Jahrhundert die Welt kartografisch. Ihre Geschichten werden bis heute weitererzählt.
Sie wurden dafür gepriesen, wie sie Land und Wasser, Wirbeltiere und wirbellose Tiere ?entdeckten?, wie sie als erste Berge bezwangen und ihren Beitrag zu Naturwissenschaften und Geografie lieferten. Sie erhielten viel Anerkennung dafür, dass sie Handelswege zwischen den Kontinenten schufen, welche sie unter dem geistigen Banner der drei G durchpflügten: Gold, God und Glory. In den meisten Teilen der Welt wird das Europäische Zeitalter der Entdeckungen nach wie vor gepriesen und Länder, Städte, Flüsse, Tiere und Pflanzen sind immer noch nach dessen Protagonisten benannt. Staaten legen ihre kulturellen und politischen Ziele danach fest und errichten Institutionen zur Verehrung und im Andenken an diese Entdecker. Dennoch ist es wichtig, zu den anderen Folgen dieses Zeitalters der Entdeckungen Überlegungen anzustellen, die über die Vorteile hinausgehen, welche sich aus der europäischen Perspektive oder der Sicht der Achse der Macht ergeben.

Gold...
Inmitten eines wirtschaftlichen Stillstands in Europa aufgrund des Kampfs um das Mittelmeer und wegen der gefährlichen Arabischen Halbinsel, die den Handel mit Asien behinderte, hatten europäische König*innen Entdecker hinaus auf die Meere geschickt, um auf alternativen Wegen zu den Quellen von Gold, Gewürzen und anderen Ressourcen zu gelangen. Dies eröffnete damals den Weg für das Zeitalter des globalen Kapitalismus und des Imperialismus. Abgesehen von einer ungleichen Wirtschaftsstruktur, die auf Ausbeutung aufbaute, führten diese Entdeckungen zum Beginn des transatlantischen Handels mit Sklav*innen, die ohne Bezahlung auf den europäischen Plantagen arbeiteten. Die damals eingerichteten Wirtschaftsmodelle sind heute noch vorherrschend.

God...
Ein wichtiger Teil der Entourage der Eroberer waren die Geistlichen, die zugleich Gefährten der Krieger waren und mit einer Schusswaffe in der einen und der Bibel in der anderen Hand ankamen. Die Missionierung und Sicherstellung von religiösem Territorium für den Papst und die König*innen zu Hause in Europa dienten eher als Ausrede, um mehr Unterstützung für ihre Reisen zu bekommen. Dennoch führten diese Entdeckungsfahrten zur Ausrottung von autochthonen Religionen und Kulturen und zwangen der Welt eine monotheistische christliche Religion auf. Es ging sogar so weit, dass nicht nur die indigene Bevölkerung zur Konvertierung zum Christentum gezwungen wurde, sondern es beispielsweise nach spanischem Recht Nicht-Katholik*innen verboten war, sich in den eroberten Gebieten anzusiedeln. Das führte zu einer Hispanisierung und Katholisierung des gesamten Gebietes.

Glory?
Das Anhäufen von Reichtum und Hoheitsgebieten, das Aufzwingen der eigenen Zivilisation, Kultur und Religion, die Verbreitung der eigenen Erkenntnislehren, welche andere Wissenssysteme zerstört, ist nichts ohne Anerkennung und Verherrlichung. Einer der wichtigsten Mechanismen zur Machteinsetzung ist der Akt der Namensgebung. Durch die Benennung von Ländern, Städten, Insekten, Pflanzen, Tieren und Bergen nach Humboldt, Magellan, Tasman, Bering oder Cook, lebt deren Ruhm weiter. Zur Zeit des europäischen Zeitalters der Entdeckungen erwies sich das neu erfundene und sich rasch verbreitende Medium der Schrift bei der Vermittlung der Entdeckungen der Forscher, ihrer hehren Taten und des erworbenen Wissens als nützlich. So zum Beispiel verbreitete Humboldt die Nachricht, er habe als erster den Berg Chimborazo bestiegen – eine seltsame Behauptung, da dieser Berg seit Menschengedenken fest in den Mythen und dem Wissen der Bevölkerung des heutigen Ecuador verankert ist. Zu Ruhm und Glorie kam es auf beiden Seiten des Atlantiks, wenn Entdecker entweder als Götter in den eroberten Ländern gefürchtet oder als große Ritter, Wissenschaftler und Visionäre in ihren Herkunftsländern geehrt wurden. All dies ging einher mit der Ausbreitung von Krankheiten, die in die eroberten Gebiete eingeschleppt wurden, der Auslöschung der einheimischen Zivilisationen, Kulturen, Sprachen und Völkern sowie der Wegbereitung für den Kolonialismus.

Das Ausstellungsprojekt The Conundrum of Imagination zielt darauf ab, das Paradigma der Erforschung und Entdeckung als empirisches System zu untersuchen. In diesem Projekt geht es jedoch nicht darum, den Zeigefinger auf irgendjemanden zu richten. Vielmehr geht es um das unersättliche Verlangen der Menschheit nach Reichtum, das über die sprichwörtliche Suche nach Glück und die Teilhabe daran hinausgeht, um es für sich selbst zu pachten und andere daran zu hindern.
Die Ausstellung erkundet die endlose Suche der Menschheit nach Wissen, aber auch die Tendenz, bestimmte erkenntnistheoretische Systeme zu fördern und andere durch Auswahlmechanismen zu unterdrücken. Das Projekt wird sich detailliert mit Religion und Kultur als Werkzeuge für das Erschaffen von Identität in den Gesellschaften beschäftigen, nämlich als Waffen zur Erschaffung weiterer und ähnlicher Utensilien zur Unterdrückung. Die Ausstellung wird versuchen, das Konzept der Erforschung und Entdeckung innerhalb einer Genealogie akademischer Disziplinen, z. B. der Anthropologie zu verorten.
The Conundrum of Imagination zielt darauf ab, die Kontinuität des Begriffs der Erforschung vom frühesten Gebrauch bis heute zu untersuchen. Im Rampenlicht des Interesses wird daher stehen, wie das Erforschen von damals im heutigen Erforschen widergespiegelt wird, zum Beispiel auf den Flügen zum Mond und zu Planeten. Noch wichtiger ist, dass dieses Projekt das Internet als modernes Terrain der Erforschung untersucht. Dort können dieselben Gesetze der drei G angewendet werden.
Das Projekt greift James Baldwins Frage auf, was wäre, wenn die Entdecker zu den Entdeckten würden und nicht umgekehrt. In diesem Projekt geht es um die menschliche Psyche und die Zwickmühle, in die uns unser Denken bringt, wenn das ?Rätsel der Fantasie uns etwas anordnet und das auffindet oder ausschlachtet, was wir fühlen oder finden?, wie es beim Erforschen der Fall ist.

Alle Künstler*innen präsentieren eine Installation und eine Performance oder Lecture.

Eine performative Ausstellung im Auftrag der Wiener Festwochen
in Kooperation mit dem Leopold Museum

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Orte
Performeum Halle 1+6
Leopold Museum

Termine
18. Mai bis 18. Juni
Performeum: Do - So, 18-22 Uhr
Leopold Museum: siehe Website des Leopold Museum

Preise
Performeum: Eintritt frei
Leopold Museum: Euro 13,- (vor Ort erhältlich)

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Programm Lectures und Performances

18. Mai
18 Uhr * – Eröffnung The Conundrum of Imagination im Leopold Museum mit Bonaventure, Soh Bejeng Ndikung und Pauline Doutreluingne
20 Uhr – Eröffnung The Conundrum of Imagination im Performeum
20.30 Uhr – Dineo Seshee Bopape (Performance)

19. Mai
19.30 Uhr – Ho Rui An: Solar: A Meltdown (Lecture Performance)

20. Mai
16 Uhr* – Ahmet Ö?üt (Lecture)
17 Uhr* – Ines Doujak & John Barker: SKINS (Performance)

21. Mai
18:30 Uhr – Cooperativa Cráter Invertido (Performance)
19:30 Uhr – Abraham Oghobase: What if Austria had colonized Nigeria? (Lecture Performance)

25. Mai
20 Uhr – Marco Montiel-Soto: Expedition on a permanent storm (Lecture Performance)
21 Uhr – Viron Erol Vert im Gespräch mit Bonaventure Soh Bejeng Ndikung und Pauline Doutreluingne: Odyssee aka Odyssee (Lecture)

26. Mai
20 Uhr – Naufus Ramírez-Figueroa: Birth Séance (Performance)
21 Uhr – Melanie Bonajo: Progress vs Sunsets (Performance)

27. Mai
20 Uhr – Jean-Pierre Bekolo: Our Wishes (Lecture)
21 Uhr – Filipa César & Louis Henderson: Op-film: A critical archaeology of optical technologies from the lighthouse to the GPS (Lecture)

28. Mai
20 Uhr – John Akomfrah: Tropikos (Lecture)
21 Uhr – Mathieu Kleyebe Abonnenc: Wacapou, a room in my mother?s house (Lecture)

OPAVIVARÁ realisieren Performance- Interventionen, die an unterschiedlichen Plätzen im Stadtraum stattfinden werden.

Orte
Performeum, Halle 1
* Leopold Museum

Termin

eSeL's Neugierde
Eröffnung, Festwochen-Ausstellung, Leopold Museum, Performeum
Donnerstag, 18.05.2017 18:00
bis Mittwoch, 31.05.2017
Leopold Museum
Museumsplatz 1
1070 Wien
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