Lukas Janitsch: Das ahnt keiner

Donnerstag, 14. Januar 2016 - 18:00 Uhr

untitled Projects

?Wie du warst! Wie du bist! Das weiß niemand, das ahnt keiner!?: bereits die erste Zeile von Richard Strauss' Rosenkavalier antizipiert die im Stück verhandelte Thematik der Zeitlichkeit, fasst die komplexe Beziehung zwischen dem Verstreichen und der Erfahrung von Zeit an sich in Worte. Auch Lukas Janitsch' Blick auf die Wahrnehmung von Zeitlichkeit setzt in der Vermittlung von Vergangenheit an: altmodisches Porzellan mit zarten Streublumen, Kaffeebecher mit Zeichentrickmotiven und Wimmelbilder, die den kindlichen Blick für den Wechsel der Jahreszeiten schulen; die ausgestellten Gegenstände verweisen in das Reich der Erinnerungen.

Auch wenn diese Zusammenstellung zunächst persönlich und privat zu sein scheint, sind die Gegenstände und Motive vielmehr archetypische Sinnbilder, Symbole einer glücklichen Kindheit. So sind die Objekte auch nicht das Ergebnis jahrelanger Sammlungstätigkeit, keine ureigenen Schätze aus dem persönlichen Fundus, sondern vom Künstler selbst fabriziert, akribisch von Hand bemalt. Auch im Motivischen findet eine unheimliche Verschiebung statt, die sich erst auf den zweiten Blick offenbart. Die so idyllisch wirkenden Kaffeetassen zieren nicht etwa gemeine Wiesenblumen, sondern gefährdete, fast ausgestorbene Arten; die botanischen Abbildungen entstammen der roten Liste für besonders bedrohte Pflanzen. Die Tiermotive der Zeichentrickserie: keine harmlosen Spielgefährten, sondern Protagonisten einer dystopischen Fabel. ?Als die Tiere den Wald verließen? handelt von der Zerstörung des Waldes durch den Menschen und der anschließenden Flucht der Tiere.

Der Sammlung, fingierter Nachhall einer verklärten Kindheitsidylle, die sich im kollektiven Gedächtnis durch mediale Überlagerung fest eingeschrieben hat, stellt Lukas Janitsch authentische historische Objekte gegenüber. Es sind fossile Knochenstücke, dem Archiv des Naturhistorischen Museums entnommen, die auf Buntglasplatten gelegt sind. In den Überresten von eiszeitlichen Tierarten findet sich die in den Tassen formulierte Bedrohung bereits eingelöst: restlos ausgestorben sind Steppenbison, Mammut und Höhlenbär, deren Leben und Geschichte nun konserviert, aus kleinsten Fragmenten rekonstruierbar scheint. Auch die Glasplatten sind Bruch- und Reststücke: Teile historischer Buntglasfenster, durch Verschnitt erzeugte Negativformen, die seit gut hundert Jahren im Keller einer Wiener Kunstglaserei lagern und auf ihre Gegenstücke in Kapellen und Kirchen verweisen.

Mit Bauklötzen zu Plattform-artigen Formen zusammengestellt, finden sich die musealen Exponate in ein labiles Balancespiel überführt: die Signifikanten, die durch ihre Historizität als Bruchstücke längst Verschwundenes sichtbar machen, werden, losgelöst von jeder text- und bildlichen Zuschreibung, ihrer archäologischen Funktion enthoben, zu abstrakten Formen. Das ?Es-ist-gewesen? verliert damit seinen Imperativ und wird zu einem flexiblen Möglichkeitsraum, während die Zeit selbst als Sonnenlicht durch die Buntglasscheiben wandert, sich als gefärbter Schatten über die Souvenirs und Relikte legt.

Zwischen Porzellantassen und Knochenstücken, zwischen fingierten Zeugen der Vergangenheit und authentischer Historizität spannt Janitsch so ein enges Geflecht, das die Funktion der Erinnerung zwischen Täuschung und Bewahrung erforscht. Wenn im sich Verlieren in den Mikro-Erzählungen der Wimmelbilder und den Abenteuern der Zeichentrickfiguren die Zeit zur unfassbaren und dehnbaren Größe wird, so ist das Thema des Rosenkavaliers Octavian, das zu jeder Stunde ertönt, der notwendige Takt, der das Verstreichen der Zeit erst fassbar macht.

Nina Lucia Groß und Raphael Dillhof

Termin

hAmSteR Events
Eröffnung, Lukas Janitsch
Donnerstag, 14.01.2016 18:00
bis Samstag, 27.02.2016
untitled Projects
Schleifmühlgasse 3
1040 Wien
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