Sigmund Freud Programm: Zwischen Ästhetik und Politik

Mittwoch, 17. Dezember 2014 - 19:00 Uhr

Belvedere 21

Die Mobilisierung und Materialisierung der modernen Seele

Helmut Draxler (Kunsttheoretiker, Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg)

Psychoanalyse lässt sich nicht nur als Methode zur Erforschung psychischer Mechanismen und Dynamiken verstehen sondern auch als eine Formation des Wissens, der Praxis und der Symbolisierung, in der die moderne Seele sich manifestiert und materialisiert. In dieser Hinsicht – und als Grundlage der heutigen therapeutischen Kultur - trat sie das Erbe der Pädagogik an, die im 18. Jahrhundert als jene exemplarische Disziplin der Mobilisierung der Seele entstand, der an der Ausbildung, Verbesserung und Perfektionierung seelischer Anlagen und Potentialitäten gelegen war. Als Reflexionsform ästhetischer wie politisch-moralischer Erziehung hatte die Pädagogik die Etablierung einer ebenso Schönen wie Guten Seele ins Auge gefasst und damit Kategorien des Imaginären propagiert, die jeder Verhältnismäßigkeit entzogen sein sollten. Was sich in ihrem Namen realisierte waren jedoch ausschließlich Verhältnisse: unheimliche pädagogische Beziehungen ebenso wie Nicht-Beziehungen zu jenen, die nicht zu erziehen waren.

Die Psychoanalyse zeigt zweifellos die Grenzen der Pädagogisierung auf. Gerade was am Seelischen nicht pädagogisiert werden, was sich nicht im Ästhetischen oder Moralischen lösen kann, kennzeichnet den „Stoff“ ihrer Seele. Nicht an den Idealen des Imaginären ausgerichtet, sondern am Konflikt zwischen dem Imaginären und den Weisen seiner Symbolisierung tritt das Unmögliche, Unkontrollierbare und Unvermögende in ihr Blickfeld. Dennoch wäre sie als reine Kritik am romantisch-idealistischen Seelenbegriff missverstanden. Sie setzt diesen als regulative Idee ihrer eigenen Operationen immer schon voraus., und die von ihr beschriebenen „Mechanismen“ und Funktionsweisen bleiben auf einen solchen Horizont des Seelischen bezogen, der sich immer erst im Prozess seines Werdens, in der Bearbeitung bzw. klinischen Durcharbeitung zeigt. Die Psychoanalyse betreibt somit eine implizite Pädagogisierung; sie mobilisiert und materialisiert die Seele immer weiter, und auch die Eckdaten von Ästhetik und Politik bleiben in ihr erhalten.

Anders als in der Pädagogik geht es in ihr jedoch nicht um die Propagierung imaginärer Ziele, sondern um die Struktur des Symbolischen selbst. Dieses zeigt sich als ein Spannungsfeld zwischen der regulativen Idee der Seele auf der einen Seite und deren praktischen Beanspruchungsversuchen auf der anderen, die sich nur in Spaltungsvorgängen zwischen Beziehungen und Nicht-Beziehungen realisieren lassen. In der Transformation vom Pädagogischen ins Therapeutische geschieht die Abkoppelung von den Idealen in ein Möglichkeitsfeld, das durch die Anerkennung der unidealen Bedingungen des Existent-Werdens gekennzeichnet ist. Bei aller Mobilisierung wird darin auch eine Ethik der Demobilisierung sichtbar: nicht nur im Sinne eines produktiven Aushaltens der Spannungen, der Depression, der Schuld und der Konsequenzen des eigenen Begehrens, sondern auch hinsichtlich der Anerkennung anderer Ansprüche, die sich der Negierung durch mein Imaginäres entziehen. Ästhetik und Politik fungieren hier nicht mehr als anzustrebende Zielhorizonte, sondern als historische Bedingungen des Symbolischen, an denen sich die moderne Seele bricht.

Termin

Uhu Diskurs
Sigmund Freud, Ausstellungsgespräch, Helmut Draxler
Mittwoch, 17.12.2014 19:00
Belvedere 21
Arsenalstraße 1
1030 Wien
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