Benshi Erzählt. Japanische Stummfilmtage

Montag, 01. Dezember 2014 - 20:30 Uhr

Metro Kinokulturhaus

Japanische Stummfilmtage – TAG 1

CHÔKON/DER UNVERGESSLICHE GROLL, Daisuke Itô, J 1926,
15 Minuten, 35mm, s/w
CHÛJI TABINIKKI/CHÛJIS REISETAGEBUCH, Daisuke Itô, J 1927,
111 Minuten, 35mm, s/w


1. bis 7. Dezember
Die Kunst japanischer Stummfilmerzähler

Der sogenannte Stummfilm war niemals »stumm«. Tatsächlich war es bereits in der Periode des Frühen Kinos, bei dem eine Kinovorführung aus einer Abfolge von Kurzfilmen bestand, üblich, diese nicht nur mit Musikbegleitung zu präsentieren, sondern sie zudem mit einem Kommentator im wörtlichen Sinn »zum Sprechen« zu bringen.
In Japan entwickelte sich diese Tradition zu einer ganz eigenständigen Form, die während der ganzen Stummfilmzeit dominierte und selbst nach Einführung des Tonfilms noch mehrere Jahre eine kontinuierliche Stummfilmproduktion ermöglichte. In den 1910-er Jahren wurden Filme oft von einem mehrköpfigen Ensemble von Kommentatoren – japanisch Benshi genannt – zur Aufführung gebracht, bei der das Filmwerk quasi den Hintergrund eines Theaterstückes abgab. Ein innovativer Schritt in Richtung eines Kinos, das sich unabhängig vom Theater als eigenständige Kunstform verstand, war die Präsentation aller Rollen durch einen einzigen Benshi. Er las nicht nur die Zwischentitel vor, sondern begleitete mit seiner Erzählung kontinuierlich die Handlung des Films. Neben dieser narrativen Funktion, interpretierte er aber auch selbst alle Rollen mit verschiedenen Stimmen. Bei ausländischen Produktionen übersetzte er nicht nur die Zwischentitel, sondern half dem Publikum beim Verständnis der kulturellen Eigenheiten der Geschichten. Benshis gewannen dadurch eine Beliebtheit, die der von Stars nicht nachstand und für das Publikum zum entscheidenden Faktor bei der Wahl des Kinos wurde.
Die Gunst des Publikums, das auf das Vergnügen der Benshis nicht verzichten wollte, bescherte dem japanischen Stummfilm eine ungewöhnlich lange Dauer. Erst 1938 verloren die Benshis ihren Kampf gegen den Tonfilm. Einige von ihnen fanden als Schauspieler oder Rundfunksprecher einen neuen Weg. Andere wurden – notgedrungen – Filmsammler und Kinovorführer, um mit ihren eigenen Filmkopien unabhängig von der Filmindustrie ihre Vorstellungen abzuhalten. Heute gibt es wieder mehrere Benshis, die sich sehr bemühen, die Kunstform der japanischen Kinoerzählung zu bewahren und weiter zu entwickeln. Midori Sawato war dabei die Erste, die diese fast schon ausgestorbene Kunst wiederentdeckte. Ichirô Kataoka, der im Metro Kinokulturhaus den Zauber der Benshis erstehen lassen wird, ist einer ihrer erfolgreichsten Schüler.
Die Frühzeit des Kinos weist weltweit immer noch eine sehr bescheidene Überlieferungsrate auf; für den japanischen Stummfilm ist das Ausmaß der Zerstörung aufgrund seiner fast ausschließlich auf den Inlandsmarkt beschränkten Distribution jedenfalls immens. Dank der Bemühungen einiger Produktionsfirmen, wie z.B. Shockiku, vor allem aber auch des National Film Center in Tokio, sind einige verschollen geglaubte Filme wieder aufgefunden worden und inzwischen in guten Restaurierungen verfügbar. Nicht zuletzt durch die Arbeit der Filmarchive und der Präsentation bei ambitionierten Filmfestivals wie Pordenone wurde der japanische Stummfilm als eigenständige und im internationalen Vergleich außergewöhnliche Kunstform wieder entdeckt.

Mit der Filmschau »Benshi erzählt« präsentiert das Filmarchiv Austria erstmals die große Tradition der japanischen Kinoerzählung in Österreich.

Fumiko Tsuneishi

Termin

Flimmer Ratte
Eröffnungsfilm, Live-Vertonung, Stummfilm, Japan, Schiene
Montag, 01.12.2014 20:30
bis Sonntag, 07.12.2014
Metro Kinokulturhaus
Johannesgasse 4
1010 Wien
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