Das Gedächtnis des Films. Fritz Kortner und das Kino

Freitag, 24. Oktober 2014 - 21:00 Uhr

Metro Kinokulturhaus

Filme eines Gestaltungsbesessenen
24. Oktober bis 30. November 2014

ERÖFFNUNG: HINTERTREPPE
Freitag, 24. Oktober, 21:00 Uhr
Ein Film von Leopold Jeßner, Paul Leni, D 1921
50 Minuten, 35mm, s/w, stumm mit engl. ZT
IM RAHMEN DER VIENNALE 2014

Gert Voss nannte ihn seinen ersten prägenden Theatereindruck, die Karrieren von Jürgen Flimm und Peter Stein wären ohne ihn anders verlaufen, er formte Schauspieler wie Klaus Maria Brandauer oder Helmuth Lohner. Der 1882 als Sohn eines jüdischen Uhrmachers in Wien geborene Fritz Kortner bezeichnete sich, seit er als Sechzehnjähriger den Schauspieler Josef Kainz am Burgtheater erlebte, als ebenso »theaterliebeskrank« wie »theaterhörig«. In den
1920er-Jahren wird Kortner in Deutschland zu einem bedeutenden Repräsentanten des expressionistischen Theaters und als »Zeitschauspieler« bezeichnet. Von den Nationalsozialisten angefeindet, emigrierte er nach Großbritannien und danach in die USA. Nach dem Krieg arbeitete er an den Münchner Kammerspielen und anderen
deutschen Bühnen, wo sein auf Subtilität und Unterschwelligkeit bedachter Schauspiel- und Inszenierungsstil immer wieder heftige Reaktionen bei Publikum und Kritik auslöste. Kortner gelang, was nur wenigen Regisseuren möglich ist: Seine Inszenierungen kamen erst in der Interpretation des Publikums zur vollen Entfaltung; nicht selten las ein schlechtes Gewissen dort Dinge, die nicht Kortner oder der von ihm interpretierte Dichter, sondern subjektive Betroffenheit dorthin schrieb.
Die Priorität des Theaters in Kortners Wirken ist nicht zu leugnen. Doch auch im Film hat er als Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur Herausragendes geleistet. Rasch hat er den in den 1910er-Jahren weit verbreiteten äußerlichen Darstellungsstil überwunden und auch vor der Kamera nach unverwechselbarem Ausdruck gesucht, der die innere Bewegung der Figur ausdrückt, ohne zu oberflächlich-konventionellen Mitteln zu greifen.In ORLACS HÄNDE (1924) etwa erreicht seine geheimnisvolle Figur einen dämonischen Charme, der Orson Welles vorwegzunehmen scheint. Kortners mit gutem Grund berühmteste Stummfilmpräsenz ist die Rolle des Dr. Schön in G. W. Pabsts DIE BÜCHSE DER PANDORA (1929). Im frühen deutschen Tonfilm griff man gerne auf den bühnenbewährten prägnanten Sprecher mit großer Filmerfahrung zurück.
Er drehte in Deutschland, später emigrationsbedingt in England und den USA, kehrte 1947 nach Deutschland zurück. Auch für sein filmisches Werk mit Titeln wie DANTON (1931), THE STRANGE DEATH OF ADOLF HITLER (1943), DER RUF (1949) oder SARAJEWO (1955) gilt: Kortners humanistisches Welt- und Menschenbild, seine besessene Suche nach dem authentischen Ausdruck menschlicher Empfindungen zieht sich als roter Faden durch seine Arbeit.
Ob auf der Bühne oder im Film, mit oder ohne Sprache, auf Deutsch oder Englisch, als Darsteller, Drehbuchautor oder Regisseur: In seinem unabdingbaren Streben nach dem ihm künstlerisch Vorschwebenden war er berüchtigt als Unbequemer. Kortner war selbst nie zufrieden mit dem Erreichten, und vielleicht liegt seine Stärke auch eher in den herausragenden und Maßstab setzenden Höhepunkten als in einer durchgehend perfekten Konstanz. Gerade das macht die Wiederbegegnung mit dem Schauspieler und Regisseur Kortner so anregend.

Martin Girod und Günter Krenn

Termin

Flimmer Ratte
Eröffnung, Fritz Kortner, Kino, Schiene, Viennale
Freitag, 24.10.2014 21:00
bis Sonntag, 30.11.2014
Metro Kinokulturhaus
Johannesgasse 4
1010 Wien
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