Jörg Sasse, Herbert Brandl

Donnerstag, 09. Februar 2012 - 19:00 Uhr

Galerie nächst St. Stephan

Jörg Sasse

Durchblick


Kunst ist unvorhersehbar, sie entsteht oder verschwindet in einem Prozess, der nicht linear ist und von ständigen Rückkopplungen chaotischer oder zufälliger Ereignisse traktiert wird. Daran ändert keine Setzung, keine Methode und kein Konzept etwas. Der Zugang zur Kunst verspricht Projektionsflächen.
Jörg Sasse

Jörg Sasse hat für die Ausstellung „Durchsicht“ eine Auswahl zum Teil bislang noch nicht gezeigter Arbeiten getroffen. Seine Tableaus wie auch die zu einem Block gruppierten Stillleben sind auf Fotografien basierende Bearbeitungen, deren Vorder- und Hintergründe sich überlagern und durchdringen, sodass Durchsicht weder Durchblick noch Einsicht, sondern die Wahrnehmung selbst meint und hinterfragt. Daneben präsentiert Jörg Sasse seinen „Speicher-III“ als ein Wandobjekt mit 64 Bildern, ein Projekt, das in anderer Form 2008 im Musée d’Art moderne in Paris und 2010 in der Ausstellung „Ruhrblicke“ in Essen zu sehen war.

„Jörg Sasses ‚Speicher‘ sind immer Angebote an die Besucher, je eigene Bildkombinationen zu wählen, mit einer Auswahl von etwa 5 Bildern (Dateien) eine vorgegebene Hängematrix in beliebiger Reihenfolge zu füllen. Waren die Dateien der Speicher I (Paris) und II (Essen) in Themengruppen (Kategorien) aufgeteilt, so kommt der neue Speicher III in der Galerie nächst St. Stephan ganz ohne ein System der Gliederung der Dateien – ganz ohne ‚Ordner‘ – aus. Allen drei Speichern gleich eigen ist deren völlig unhierarchische Anlage. Es gibt keine Unterordner, keine festgelegten Pfade.

Hatte der Besucher (Benutzer) in Paris und Essen noch die Wahl aus verschiedenen Töpfen (etwa ,Abstrakt‘, ‚Kopfbedeckungen‘ oder ‚Winter‘ zu ziehen, um die Elemente seiner Kombination zu definieren, so gilt im Speicher III schlicht 5 aus 64. Dem folgt die Aufgabe, die Matrix – eine Reihe von fünf Bildern – beliebig zu füllen.

Jörg Sasse lässt den Betrachter am Prozess der Hängung der Ausstellung teilhaben, schafft einen klar definierten Spielraum, innerhalb dessen jedermann erproben kann, welche Überlegungen im Akt des ‚Hängens‘ einer Ausstellung manifest werden. Der Speicher dient also als auch Simulator, als Übungsgerät. Sasse stellt den Handapparat samt Regelwerk zur Verfügung, dem Laien bleibt überlassen, seine Variante zur Ausstellung zu bringen, festzulegen, was seine ‚Durchsicht‘ des Speicherblocks ergeben hat.

Der Auswahl folgt die Bewertung. Jörg Sasse hat dem Speicher ein Buch beigefügt, in dem alle möglichen Bildkombinationen bewertet werden: ‚=5‘ die bestmögliche, ‚=1‘ die schlechtest mögliche Bildkombination. Das Buch verrät keinen Kanon, kein Wertesystem, auf dem die Benotung gründet.

Die Bildmotive – Stoffe, Muster, Architekturdetails – sind nicht näher bestimmt, ihr Ursprung ist irrelevant. Ebenso offen bleibt, ob die richtigere oder falschere Hängung einen bestimmten Rhythmus beschreibt, eine spezielle Assoziationskette einleitet, einer rein formalen Ordnung entspricht oder doch Narratives andeutet.

Man kann aber auch den Speicher selbst im Auge haben und danach trachten, via Leerstellen, die sich durch die Bildentnahme ergeben, ein ‚Muster‘ am Objekt zu erzeugen – und in Folge nachsehen, ob die daraus resultierenden Bildkombination nun sehr gut oder nur befriedigend oder – laut Buch – ,nicht genügend‘ ausfällt.“ Markus Mittringer

JÖRG SASSE geboren 1962 in Bad Salzuflen, Nordrhein-Westfalen, lebt und arbeitet in Düsseldorf und Berlin. Ausstellungen (Auswahl): Kölnischer Kunstverein/Kunsthalle Zürich, 1996/97; Musée d’Art moderne, Paris, 1997; Portikus Frankfurt, 1998; Kunsthalle Bremen, 2001; Musée de Grenoble, 2004/05; Kunstmuseum Bonn 2005/06; Kunstverein Hannover 2006; Museum Kunst Palast, Düsseldorf, 2007; Kunstmuseum St. Gallen, Kunstmuseum Bonn 2010; ZKM Karlsruhe 2011. Website: www.c42.de



Herbert Brandl

Säbelzahnhyänentigerhund


Herbert Brandl, dessen Einzelausstellung im Bank Austria Kunstforum bis 14. April 2012 zu sehen ist, zeigt im Login eine großformatige rote Leinwand und erstmalig eine geduckte Tiergestalt (Unikat-Bronzeguss) mit dem Titel „Säbelzahnhyänentigerhund“.

„Wenn ein geschnitzter Tiger aus Indonesien über Monate hinweg neben den Leinwänden lauert, am Sprung ist und dennoch als Abstreifer für Herbert Brandls Pinsel dient, dann wird nicht nur dessen abruptes Losstarten Richtung Beute unwahrscheinlich, dann verändert der Tiger auch seine Textur: seine Oberfläche wird pastos, als wäre er einer Malerei der – so die Überlieferung – wilden 80er Jahre entsprungen.

Und wenn dann der Pinselabstreifer, Herbert Brandl, auch noch an die völlig abstruse Überlieferung denkt, nach der die nordgermanische Göttin Freya ihrem Karren Wildkatzen vorgespannt hätte, dann ist die Schnitzerei aufgeladen genug, als Urform zu dienen. Brandl hat den Tiger – man mag jetzt an eine seiner Hyänen denken, die mutig genug war, aus der Flachware Bild in den Raum vorzudringen – zur Urform erklärt, zum Beginn dessen, was zunächst als Serie von Skulpturen gedacht ist; von Unikatskulpturen.

Brandl manipuliert die Gussform, legt dem Tiger längere Ohren an, schärft dessen Gebiss, verlängert dessen Beine. die Schleifmaschine kommt zum Einsatz, um des Tigers Krallen blank aus der patinierten Bronze vorstechen zu lassen, manche der Mutanten der Urform tragen Schwänze und prall erigierte Penisse – Indonesien zeigt sich dann als grundgotisch. Den Karren zum Dreiergespann in der Galerie nächst St. Stephan mag mitdenken wer will, jedenfalls aber lauern die mutierten Raubkatzen jetzt vor einer Leinwand, auf der diverse Rottöne kollidieren.“ Markus Mittringer

HERBERT BRANDL geboren 1959 in Graz, lebt und arbeitet in Wien. Ausstellungen (Auswahl): 1991 Kunsthalle Bern; Museum van Hedendaagse Kunst, Gent; 1992 Documenta IX, Kassel; 1994 Museum Haus Esters, Krefeld; 1998 Secession, Wien; 1999 Kunsthalle Basel; 2002 Künstlerhaus Graz und Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz; 2004 Pintura, Museu Serralves, Porto / Malerei, ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe; 2005 Expo, Österreichischer Pavillon, Aichi, Japan; 2007 Biennale Venedig, österreichischer Pavillon; 2009 Deichtorhallen, Hamburg; 2010 Österreichisches Kulturforum, Prag; 2012 Bank Austria Kunstforum, Wien

Termin

hAmSteR Events
Ausstellung
Donnerstag, 09.02.2012 19:00
bis Samstag, 24.03.2012
Galerie nächst St. Stephan
Grünangergasse 1
1010 Wien
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