forum festwochen ff - Überlebensstrategien

Montag, 13. Juni 2011 - 19:00 Uhr

Kunsthalle Wien Karlsplatz

Live long and prosper (Mr. Spock)
Für alle reicht es nicht (Mr. Müller)

Lange Zeit lebten wir gut und außer Gefahr. Wir wohnten im Zentrum der Welt, unser Land sorgte für uns, und „ich kann nicht genug klagen“ war die saturierte Standardantwort auf die Floskelfrage nach unserem Wohlbefinden. Wir gediehen stetig.

Doch westliche Siegesgewissheit und mitteleuropäisches Überlegenheitsgefühl sind dahin. Statt Fortschrittsglauben und Konsumentenglück grassiert nun die Angst vor Wohlstandsverlust und Sozialabstieg, Banken- und Eurokrise, Klimawandel und Naturkatastrophen, deren Ursachen auch in Menschenhand liegen. Vorbei ist es mit dem sicheren, kolonialistischen Blick, der die Welt aufteilte in wenige Erste und viele Dritte, in Industrienationen und Entwicklungsländer.

„Schwellenland“ oder „Tigerstaat“ – das klingt nicht nur bedrohlich, sondern meint auch: Woanders spielt längst die Musik, finden Aufstieg, Produktion und Konsum, Weltwirtschaft und -politik schon jetzt oder demnächst maßgeblich statt. Wir schwitzen oder frieren mehr und mehr, als hätte wer den Stöpsel gezogen aus unserem wohligen Wechselbad zwischen Hedonismus und schlechtem Gewissen.

Wie überleben wir das? Und macht es weiter Spaß?
Überlebensstrategien: ein vermessenes Wort. Schon Monate vor der Katastrophe in Japan plante das forum festwochen, in diesem Jahr verschiedene Strategien des Überlebens vorzustellen – zur Ansicht und zum Ausprobieren, eingeladen von den Enden der Welt, von alten und neuen Peripherien. Aus Indien, Japan, Island, Kongo und Kolumbien, Belgien, Spanien und Österreich stammen die Künstler, die sich und uns sechs Tage lang im Herzen Wiens, im Kunsthalle Wien project space karlsplatz und im brut im Künstlerhaus, mit dem Thema auf vielfältige Weise und spartenverschmelzend auseinandersetzen – in Performances, Installationen und Interventionen, Workshops, Darbietungen und Dialogen.

Vom Zuschauer zum Teilnehmer!
Überleben lernen und trainieren erfordert andere Formen und Formate von Darstellung und Beteiligung: Wer Zuschauer bleibt, bleibt zurück. Deshalb beinhalten die Überlebensstrategien auch publikumsaktive Modellversuche für Perspektivwechsel, zur Revision unserer Alltagsroutinen.

Harish Khanna
Der indische Künstler Harish Khanna verwandelt den Kunsthalle Wien project space karlsplatz in eine recycelte Landschaft aus provisorischen Baracken und Behausungen – und lädt mit The Survival Project zum Straßenverkaufstraining und zur Einübung informeller Dienstleistungen, die in Indien wie vielerorts in der Welt zum Einsatz kommen und in der Wiener Stadtlandschaft auch selber ausprobiert werden können.

Kviss búmm bang
Das junge isländische Performerinnenkollektiv Kviss búmm bang veranstaltet die Norm Olympics in privaten Wohnungen, in denen man sechs Stunden lang ein anderes Leben samt neuer Partnerschaften ausprobieren kann.

Angélica Liddell
Die spanische Autorin und Performerin Angélica Liddell steht mit ihren oft selbstverletzenden, Schmerzgrenzen auslotenden Projekten für eine eigene, physisch konkrete Dimension des Überlebens. Sie erarbeitet die Performance San Jeronimo, mit der sie das Verhältnis von Mitleid und eigenem Leid thematisiert.

Michikazu Matsune
Michikazu Matsune, aus Japan stammender Wiener Künstler, entwickelt mit Hello 2111 eine Ausstellung von Texten, Fotos und Objekten von heute für das Publikum der Wiener Festwochen im Jahr 2111, mit der er nicht nur fragt, wie die Welt in 100 Jahren aussehen wird, sondern auch, was von uns dann übrig sein wird.

Berlin
Die Antwerpener Künstlergruppe Berlin zeigt tagfish: eine überragende Video-Performance über die Zukunft des deutschen Ruhrgebiets, von dessen einstiger Prosperität nur mehr Industriebrachen, Dienstleistungs- und Vergnügungsparks übrig sind.

Carlos Motta
Zu sehen sind auch die Videoinstallationen des Kolumbianers Carlos Motta, der in La Buena Vida hunderte von Passanten in zahlreichen Großstädten Lateinamerikas nach ihrem Verständnis von Demokratie und US-amerikanischer Hegemonie befragt hat und mit Six Acts ermordete kolumbianische Präsidentschaftskandidaten wiederauferstehen lässt.

Barbara Ungepflegt
Die Wiener Künstlerin Barbara Ungepflegt veranstaltet spezielle Führungen in ihren Notstand.

Ong Keng Sen, Kathrin Röggla, Ulrich Seidl, Faustin Linyekula
Eine Reihe von Künstlerdialogen schließen an Alles anders an, die letztjährige Lecture-Performance-Reihe der Wiener Festwochen im Kunsthalle Wien project space karlsplatz: Überlebensdialoge, Kommunikation als erstes und letztes Mittel zur Rettung. Wir haben vier Künstler gebeten, einen Dialog mit einem Partner nach ihrer Wahl und in frei zu wählender Form zu führen: Der panasiatische Kunstaktivist und -theoretiker Ong Keng Sen aus Singapur lädt dazu den schwedischen Autor Jonas Hassen Khemiri ein, um über Diaspora, Menschenrechte, politische Gewalt und depathologisiertes Trauma zu sprechen. Die Autorin Kathrin Röggla trifft auf die Autorin und Simultandolmetscherin Julya Rabinowich und den Psychologen Sama Maani – zwei Mitarbeiter des Wiener Vereins Hemayat, der Kriegstraumatisierten und Folteropfern psychiatrische Hilfe und Therapien ermöglicht. Der Filmemacher Ulrich Seidl interviewt kunstinteressierte Österreicher zu einem Bild von Francis Bacon. Und der kongolesische
Tänzer und Choreograf Faustin Linyekula befragt seine Ahnen, forscht in seinem Körper nach Ursprüngen und Anlagen, die ihm helfen könnten, die Ungewissheiten der Gegenwart seines Landes zu überleben und dessen Zukunft mit zu erfinden.


Wir verlassen und auf Sie!
Der Workshop The Survival Project von Harish Khanna und The Norm Olympics von Kviss búmm bang sind Projektformate, bei denen der Zuschauer zum Teilnehmer wird – und die ohne zuverlässige, vollzählig erscheinende und möglichst bis zum Ende der Veranstaltung auch durchhaltende Teilnehmer nicht oder nur mit großen künstlerischen Einbußen stattfinden können.

Gesamtprogramm hier: http://www.festwochen.at/fileadmin/ForumFW.pdf

Termin

Public Access
Künstlerdialoge, Workshops, Lecture, Performance, Video, Überleben, Menschheit, Gesellschaft, Welt
Montag, 13.06.2011 19:00
bis Samstag, 18.06.2011
Kunsthalle Wien Karlsplatz
Treitlstraße 2
1040 Wien
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