born in the dolomites

Donnerstag, 26. Mai 2011 - 19:00 Uhr

Künstlerhaus

Born in the Dolomites! Mit diesem Satz beantwortet Gilbert Prousch, Teil des international bekannten Künstlerpaares Gilbert & George, die Frage nach seiner Herkunft. Tatsächlich stammt Gilbert aus dem norditalienischen Gadertal, im Herzen des bleichen Bergmassivs der Südalpen.

Wie Gilbert, sprechen heute noch an die 40.000 Menschen in den Dolomiten die Minderheitensprache Ladinisch – eine der ältesten Sprachen Europas. Ladinisch ist neben dem Deutschen und dem Italienischen anerkannte Landessprache in Südtirol. Das Zusammenleben deutsch, italienisch und ladinisch sprechender Menschen sorgt einerseits für kulturellen Reichtum in den Tälern des versteinerten Korallenriffs, birgt andererseits für die autochthonen AlpenbewohnerInnen mitunter auch immer wieder – durch historisch bedingte nationale Grenzverschiebungen – Identitätsschwierigkeiten.

Um dem festgefahrenen Diskurs der Zugehörigkeit auszuweichen und sich schon allein durch die Wahl der Bezeichnung als Südtiroler, Sudtirolese, Norditaliener oder Altoatesiner zu einem kategorisierenden Denkmodell zu bekennen, bevorzugen einige BewohnerInnen die Umschreibung durch die geografische Lokalisierung der Heimat. Diese territoriale Reduzierung der Provenienz auf geomorphe Landschaftsformungen und die Negierung eines politischen Zugeständnisses sind besonders für KünstlerInnen bewusste Entscheidungen, um sich nicht in eine Schublade stecken zu lassen, sondern trotzdem zu dem Gebiet zu stehen, in dem sie geboren, aufgewachsen und ihre Kindheit verbracht haben.

In der permanenten Auseinandersetzung zwischen von außen aufoktruierter Identität, klischeehafter Identifizierung und persönlicher Findung bietet der Alpenraum reichlich gesellschaftlichen, historischen, kulturellen sowie sozialen Stoff für KünstlerInnen und lässt sie in ihren visualisierten Denkprozessen in ständiger Wechselwirkung zwischen Fragen und Antworten laufend Zweifel, Jubel, Verachtung, Neugierde und Schönheit erfahren.

Die acht KünstlerInnen, die in dieser Ausstellung vertreten sind, verbindet die Tatsache, dass sie in dem sagenumwobenen Gebiet der Dolomiten bzw. in dessen Umfeld geboren und aufgewachsen sind, wobei diese Tatsache Fixtext ihrer Curricula ist. Direkt oder indirekt haben alle ausgestellten Arbeiten der KünstlerInnen einen Bezug zu hochalpinen Gipfeln und tiefen Tälern. Die Mischung aus schroffen Bergspitzen, sanften Almen, vom Transit geplagten Tälern und idealisierten Tourismusorten sind in den Köpfen, Denkschemata und Charakteren der KünstlerInnen eingeschrieben. Auch wenn der formale Zugang und die künstlerische Umsetzung ihrer Interventionen völlig unterschiedlich sind und oberflächlich betrachtet kaum Verbindungen aufweisen, sind bei allen acht KünstlerInnen Rückschlüsse auf die eigene Herkunft lesbar:

Bei Gabriela Oberkofler und Carlo Speranza sind es offensichtliche Assoziationen zu kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturen des Dolomitenareals. In dem aus dem Dialekt entlehnten Vokabular wie „Buggelkraxe“ und „Holzpyjama“ sowie in der Wahl der Materialien – recycelte Obstkisten – knüpfen beide enge regionale Bezüge, um auf eigentümliche Lebensgewohnheiten und Gesellschaftsformen des Alpengebiets aufmerksam zu machen.

Hubert Kostner folgt einem ähnlichen Denkprozess. Er fokussiert allerdings nicht ausschließlich auf den Alpenraum, sondern bindet mit dem Objekt „Kochmaschine“ den gesamten deutschsprachigen Raum mit ein. Nach dem Motto „Solange die Maschinerie Familie um den Herd reibungslos läuft, lösen sich alle sozialen Probleme von selbst“ spielt Kostner auf die tradierte bäuerliche Rollenaufteilungen im sozialen Apparat Familie an.

Um das Rollenbild der Frau geht es auch in den Arbeiten von Sissa Micheli, in denen sie femininen Objekten – bevorzugt Kleidern - eine neue Aufgabe zuspricht, die dem Verlangen nach Veränderung nachgeben und den Ausbruch aus der Regelmäßigkeit anstreben.

Gino Alberti und Martin Pohl thematisieren die Landschaft und ihre Ästhetik und revolutionieren in eigenständiger Manier den traditionellen Darstellungsmodus des Alpenraums, der durch Attribute wie Faszination, Ehrfurcht, wilde Romantik, schauernde Tragödien und Dramatik über Jahrhunderte eine der Hauptkulissen der Landschaftsmalerei bot. Während Pohl durch einen gestischen Pinselstrich abstrahiert, gelingt es Alberti durch in die Landschaftszeichnung eingefügte Sprachbänder, das idealisierte Bild der Bergwelt linguistisch zu entkräften.

Walter Moroder bedient sich einer traditionsreichen Handwerksarbeit, der Bildhauerei aus den Dolomitentälern, um durch die Bearbeitung von Holz moderne Figuren – bevorzugt Frauen – zu schaffen und ihnen Leben einzuhauchen.

Robert Pan lässt sich in seiner Bildsprache formal und inhaltlich am wenigsten anmerken, dass er ein Kind der Alpen ist, doch ist dem Spiel aus schillernden Farben und Mustern eine auf den Bildträger übertragene Beeinflussung aus seinem persönlichen Lebensraum und Assoziationen zu Erinnerungen keineswegs abzusprechen.

Termin

Public Access
Eröffnung, Ausstellung, Dolomiten, Zugehörigkeitsdiskurs, Identitätssuche, Kunst
Donnerstag, 26.05.2011 19:00
bis Sonntag, 26.06.2011
Künstlerhaus
Karlsplatz 5
Obergeschoß
1010 Wien
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