Barbara Mungenast - Im Auge des Chamäleons, Das große Du, Farbe total

Dienstag, 15. März 2011 - 19:00 Uhr

Galerie Gabriele Senn

Im Auge des Chamäleons – Das große Du – Farbe total
Zu den aktuellen Werkgruppen von Barbara Mungenast

Im Unterschied zur Moderne, die den Abstraktionsbegriff noch als Idee einer ästhetischen Selbstreferenz zu artikulieren versuchte, lässt sich Abstraktion heute nicht auf ein Gestaltungsprinzip reduzieren, sondern durchdringt als Kategorie alle unsere Gesellschaftsbereiche und sozialen Beziehungen. Bob Nickas wirft in der Publikation "Painting Abtract. New Elements in Abstract Painting"(2009) ebenfalls die Frage auf, worin das spezifisch Neue in der Neuen Abstraktion besteht. In ihrer aktuellen Malerei, ihren Bildobjekten, Skulpturen und Installationen reformuliert Barbara Mungenast jenen Abstraktionsbegriff, der auf die Produktivität eines ästhetisch stilisierten Lebens durch Kunst, Design und Architektur abzielt. Nach einer gründlichen Revision modernistischer oder neoformalistischer Malereiparadigmen oder dem Loslösen vom Bildträger im malerischen Prozess werden von Barbara Mungenast in ihren aktuellen Werkgruppen "Ohne Titel" produktionstechnische Abläufe, die Relationen zwischen Farbe, Form und Logiken der Displaysierung neu aufgemischt.

In der Installation "Ohne Titel" verlaufen kreisrunde Bildobjekte über die Wand und definieren die Ausstellungssituation durch ihre farblichen und proportionalen Dimensionen. Die Farbskala reicht von BMW-Schwarz über Ferrari-Rot, Minimalistisch-Grau bis zu Harlekinfarben, deren chamäleonartige Effekte bevorzugt für die Lackierung von Harley Davidsons verwendet werden. Jede Farbauswahl ist das Resultat eines intensiven Rechercheprozesses über deren kulturellen oder gegenkulturellen, ökonomischen, kunst-, design- oder architekturhistorischen Codierung.

Die intensiv leuchtenden, durch den Einsatz von Autolack bewirkten Oberflächenphänomene, Flimmereffekte und Reflexionen üben eine Sogwirkung aus und lösen gleichzeitig eine Steigerung des Mit- und Gegeneinanders von Farbe, Fläche, Körper und Raum aus. Der Topos des Malerischen resultiert hier nicht aus einem manuellen, gestischen Vorgang, sondern aus technologischen, industriellen Produktionsabläufen durch das Aufsprühen von Autolack. Anders als die Minimalisten leitet Barbara Mungenast allerdings Abstraktion nicht aus den Vorgängen der Industrie her, sondern tritt den "Materialismen“ der modernen Gesellschaft durch korporative Produktionsmethoden gegenüber. Barbara Mungenast verzichtet darauf, individuelle Spuren auf dem Bildobjekt zu hinterlassen, es gibt keinen Duktus, keine Gestik, sondern technische Präzision, ohne allerdings die künstlerische Autorenschaft auszuschalten, Barbara Mungenast ist in jeden Schritt des Produktionsablaufes unmittelbar involviert.

Abstraktion als sichtbare Form und als verborgene Gesellschaftsstruktur gelangt in der skulpturalen, zum Stillleben arrangierten Werkgruppe "Ohne Titel" zum Ausdruck. Kunstproduktion wirkt heute zunehmend kulturalisierend und greift insofern vice versa wiederum kulturelle Aspekte auf. Im Stillleben "Ohne Titel" sind es überproportionale Abgüsse in Form von Schellen, die als Klangkörper beim Treiben während der Fastnacht in Imst, dem Heimatort von Barbara Mungenast, zum Einsatz gelangen. Anstelle des Verwerfens eines Brauchtums werden hier skeptisch konkrete Spezifika aufgegriffen, um diese durch das Herauslösen aus ihrem ursprünglichen Kontext wiederum einer Abstraktion zu unterziehen. Als reflexives künstlerisches Verfahren gewinnt die Skulptur durch den speziellen Einsatz der Farbe – ein Spezialgips wird mit Farbpigmenten durchmischt – ein gesteigertes Abstraktonsniveau und lässt durch Rohheit die Oberfläche samtig und rau erscheinen, wodurch eine Aura des Verbrauchten entsteht.

Das Ausstellungsdisplay bildet einen Parcours zwischen Gehängtem und Gestelltem. Laut dem Philosophen und Semiotiker Paolo Virno ist abstraktes Denken zu einer Säule sozialer Produktion geworden. Abstraktion bedeutet hier keine Abkehr von der Realität oder ästhetische Kompensation, sondern bildet einen Gegenentwurf.

Termin

Public Access
Dienstag, 15.03.2011 19:00
bis Samstag, 30.04.2011
Galerie Gabriele Senn
Schleifmühlgasse 1a
1040 Wien
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