WERKSCHAU XXVIII – ANDREA VAN DER STRAETEN – BURNING DOWN THE HOUSE
24. Oktober 2023 – 25. November 2023
Eröffnung mit Katalogpräsentation: Montag, 23. Oktober, 19.00 Uhr
Einführende Worte: Ruth Horak
Im Rahmen von VIENNA ART WEEK:
Gallery Tour: Freitag, 10. November, 17.00–18.30 Uhr
Artist Talk: Donnerstag, 16. November, 19.00 Uhr
Finissage mit Reflektor-Fotobuchfrühstück:
Andrea van der Straeten im Gespräch mit Vreni Hockenjos: Samstag, 25. November 2023, 11.00 Uhr
Ausstellungsdauer: 24. Oktober–25. November 2023
WERKSCHAU XXVIII ist die Fortsetzung der jährlich stattfindenden Ausstellungsreihe der FOTOGALERIE WIEN, in der zeitgenössische Künstler:innen präsentiert werden, die wesentlich zur Entwicklung der künstlerischen Fotografie und neuen Medien in Österreich beigetragen haben. Gezeigt wurde bisher ein Querschnitt durch das Schaffen von Jana Wisniewski, Manfred Willmann, VALIE EXPORT, Leo Kandl, Elfriede Mejchar, Heinz Cibulka, Renate Bertlmann, Josef Wais, Horáková + Maurer, Gottfried Bechtold, Friedl Kubelka, Branko Lenart, INTAKT – Die Pionierinnen (Renate Bertlmann, Moucle Blackout, Linda Christanell, Lotte Hendrich-Hassmann, Karin Mack, Margot Pilz, Jana Wisniewski), Inge Dick, Lisl Ponger, Hans Kupelwieser, Robert Zahornicky, Ingeborg Strobl, Michael Mauracher, PRINZGAU/ podgorschek, Maria Hahnenkamp, Robert F. Hammerstiel, Sabine Bitter & Helmut Weber, Michaela Moscouw, Günther Selichar, Heidi Harsieber und Christian Wachter. Wir freuen uns, dass wir nun die Künstlerin Andrea van der Straeten präsentieren dürfen.
Andrea van der Straetens Arbeiten sind repräsentativ für die Veränderungen, die ab den 1980er-Jahren das Medium Fotografie erfassten und in den Kunstbetrieb geleiteten, wo es mit offenen Armen empfangen wurde. Als Teil dieser Bewegung konzipierte sie Fotografien für die Wand, sprengte die Formate, präsentierte ihre Fotos auf raumgreifenden Displays oder am Boden liegend, nützte die neuen großen Papierformate oder vorgefärbte Spezialpapiere, die auf den Markt kamen. Seither bewegt sie sich an den Rändern der Medien und sabotiert auch mal Technik und Material. Ihre Werke sind politisch, feministisch und kulturhistorisch, ihre visuelle Sprache ist lebhaft, formenreich und einprägsam.
Schon in der frühen, mehrteiligen Arbeit Innocent Bystanders (1991) rief sie die Besucher:innen der Secession auf, die aktuellen politischen Debatten um Geld, Genmanipulation und Bevölkerungsexplosion aus einer unerwarteten Sicht zu reflektieren. (…) Die Fotografien der nackten Bronzefigur in der dreiteiligen Arbeit W.H.M. (1991), deren auffällige Körperdrehung aus jedem Blickwinkel anders wirkt, verleiten dazu, ihre Pose feministisch zu deuten – sich verdrehen oder verbiegen –, erwartet(e) man doch von Frauen, dass sie Hure, Hilfskraft und Mutter in einem sein soll(t)en. (…)
Das unzählige Male reparierte Bettlaken Territory (2021) kann als ein Plädoyer für einen aufmerksamen Umgang mit Ressourcen gelesen werden. Die Hintergrundbeleuchtung, die die Künstlerin für die Übersetzung des Objekts in eine Fotografie im Maßstab 1:1 nutzte, bringt die feine Struktur des Gewebes ans Licht und lässt die Geometrie der Flicken wie eine Geländekarte erscheinen, auf welcher die Reviere der Bewohner:innen eingefasst sind. (…)
Mit Mein Video ist mein Hemd (1986) stellte Andrea van der Straeten das seit den 1980er-Jahren wichtige Medium Video auf den Kopf. Die Anforderungen des Kunstvideofestivals, bei dem sie es einreichte, waren allesamt erfüllt – die Angaben zu Dauer, Inhalt, Ton und Farbe ihres Films lagen der Jury vor – und dennoch war nichts so, wie von den Veranstalter:innen erwartet. Denn die Künstlerin hatte die Magnetbänder von den Spulen gewickelt, zu einem grobmaschigen Hemd verstrickt und eingesandt. Das Medium war sabotiert: Nicht seine Dienste, Daten zu speichern, wurden benützt, sondern seine Stofflichkeit.
Im Jahr 2013 hatte sie das Hasardspiel des Kapital- und Immoblienmarktes bzw. seine Auswirkungen auf die Betroffenen noch an konkrete Personen und Orte geknüpft und Fotografien wie jene des chaotischen Technikraums einer winzigen New Yorker Oper unter den polemischen Titel Like Adventures gestellt. Mittlerweile sind die Auswirkungen von ökonomischer Ausbeutung noch brisanter und müssen radikaler kommentiert werden: ein Pistole, zerschlagene Auslagenscheiben oder der Hinweis, „dass die Vernunft mit der Zeit verdirbt“, lassen hinter dem aktuellen Ausstellungstitel burning down the house ein klares Veto gegen die Vernichtung unseres Planeten hervortreten.“We’re in for nasty weather“ lautete 1983 eine Zeile aus dem gleichnamigen Song der Talking Heads. (…)
Ruth Horak