Gesammelt um jeden Preis!

Freitag, 21. April 2023 - 18:30 Uhr

Volkskundemuseum Wien

Christa Knott, Volkskundemuseum Wien Christa Knott, Volkskundemuseum Wien
Eröffnung: Fr, 21.4.2023, 18.30 Uhr
Warum Objekte durch den Nationalsozialismus ins Museum kamen und wie wir damit umgehen

Provenienzforschung und Restitution kann man nicht ausstellen?! Wir tun es trotzdem! Die Ausstellung handelt von NS-Raub, Recht und Rückgabe. Sie stellt die Erforschung des Erwerbs und der Herkunft von Dingen im Museum vor und geht deren Verbleibsgeschichten bis heute nach. Erstmals werden die komplexen Abläufe der NS-Provenienzforschung und Restitution in Österreich einer breiten Öffentlichkeit in einer Ausstellung gezeigt. Im Zentrum steht die umfangreiche Sammlung Mautner, die vom Volkskundemuseum Wien an die rechtmäßigen Eigentümer*innen zurückgegeben wurde.
Dinge kommen auf unterschiedliche Weise in öffentliche und private Sammlungen. Auch im Volkskundemuseum befinden sich Objekte, die dort nicht hingehören, weil sie ihren Eigentümer*innen abgepresst, geraubt oder aufgrund (rassistischer) Gesetze abgenommen wurden. In dieser Ausstellung verfolgen wir den Ablauf von der Beschaffung unter dem NS-Regime, über die museale Nutzung bis hin zur Rückgabe von Objekten. Dabei rücken die Beziehungen in den Vordergrund, die über Objekte entstehen und die sich im Laufe der Zeit unterschiedlich gestalten und auswirken. Besonders deutlich wird dies anhand der Sammlung Mautner, die nach der Restitution dem Volkskundemuseum Wien großteils geschenkt wurde. Die Sammlung steht für die engen Verflechtungen der Familie Mautner mit dem Museum seit dessen Gründung und seinen Akteur*innen.

Der Sammlungsentwicklung liegen maßgeblich Gesetze, Verwaltungsverordnungen und Vereinbarungen zu Grunde, die das Ergebnis von politischen, ideologischen und sozialen Prozessen sind. Sie haben den heutigen Umfang der Sammlungen im Volkskundemuseum Wien entscheidend beeinflusst. Gleichzeitig haben sie im NS-System über das Schicksal der Eigentümer*innen bestimmt, zur Flucht gezwungen, Besitz, Existenzen und unzählige Leben geraubt. Nach der NS-Zeit haben unter internationalem Druck erlassene Gesetze die „Wiedergutmachung“ und die Rückgabe von unrechtmäßig erworbenen Gütern geregelt. Erst 1998, also vor 25 Jahren, sah sich die Republik Österreich veranlasst, mit dem Erlass des Kunstrückgabegesetzes die Grundlage für künftige Restitutionen von geraubten Objekten aus den Bundessammlungen zu schaffen. Unmittelbarer Anlass dafür war die Beschlagnahme zweier Werke Egon Schieles in New York. Mit der Gründung der Kommission für Provenienzforschung und des Kunstrückgabebeirates wurden die Strukturen für die Rückgabe aus Bundeseigentum geschaffen.

Das Volkskundemuseum Wien verpflichtete sich 2015 freiwillig dazu, nach dem Kunstrückgabegesetz zu agieren. Wie auch andere private Institutionen ist es dazu rechtlich nicht verpflichtet. Als Folge dessen wurde die Sammlung Mautner restituiert.

Was macht die Sammlung Mautner so besonders?
Seit der Frühzeit des Museums haben sich Mitglieder der großbürgerlichen Textilindustriellenfamilie Mautner in unterschiedlichen Funktionen, finanziell und mit Objektspenden hier eingebracht. Durch gemeinsame Forschungsinteressen und patriotische Zielsetzungen waren sie dem Fach der damals aufstrebenden Volkskunde in Museum, Verein und heimatkultureller Praxis verbunden. Die Volkskunde trat damals mit der Idee an, Gegenstände und Praktiken vor Industrialisierung und Urbanisierung zu bewahren und in weiterer Folge zu verbessern oder gar neu zu gestalten. Gerade das umfangreiche Sammeln und Forschen von Konrad Mautner (1880-1924) und die praktische Umsetzung in der Trachtenerneuerung durch Anna Mautner (1879-1961) zeugen davon. Ab 1938 wurden Anna und andere Mitglieder der Familie Mautner durch die rassistischen Nürnberger Gesetze als jüdisch verfolgt, und sie mussten flüchten. Auf Initiative des Museums wurden die in Wien befindlichen Sammlungsteile beschlagnahmt, dorthin gebracht und weit unter Wert vom damaligen Direktor Arthur Haberlandt angekauft. Darunter befanden sich Forschungsunterlagen, Bekleidung und Trachtenabbildungen, Schützenscheiben, Liedtexte, Möbel, Pfeifen und Pfeifenköpfe, Fotografien vom „Volksleben“ vor allem im Salzkammergut und anderes. Die Objekte dieser Sammlung wurden immer wieder unhinterfragt in zentralen Ausstellungen und Publikationen genutzt.

In den 2010er Jahren kam es im Team des Volkskundemuseums zu einem Umdenken hinsichtlich der belasteten Vergangenheit der eigenen Institution und der problematischen Erwerbsgeschichten von vielen Objekten. Um nicht mehr von Unrecht zu profitieren, entschloss sich der Trägerverein des Museums zur Provenienzforschung und zur Restitution im Sinne des Kunstrückgabegesetzes in Kooperation mit der Kommission für Provenienzforschung.

Diese Ausstellung entspringt dem ausdrücklichen Wunsch der Erb*innen Anna Mautners, die Sammlung nach der Schenkung weiterhin der Öffentlichkeit und der Wissenschaft zugänglich zu machen. Die restituierte und geschenkte Sammlung Mautner wird in ihrer Gesamtheit zu sehen sein. Diese rund 500 Objekte werden kultur- und forschungsgeschichtlich eingeordnet. Als Zielpublikum sehen wir all jene, die sich für die Herkunft von Dingen in Museen und für Provenienzforschung interessieren, Fragen dazu haben oder sich beruflich damit auseinandersetzen. Ein umfassendes Vermittlungs- und Begleitprogramm thematisiert außer dem NS-Kontext auch andere Umstände gewaltvoller Objektakquise, wie sie in kolonialen Zusammenhängen oder in Kriegen, beispielsweise jenem gegen die Ukraine, stattfinden.

Termin

hAmSteR Events
Eröffnung, Provenienzforschung, Restitution, Sammlung Mautner
Freitag, 21.04.2023 18:30
bis Sonntag, 26.11.2023
Volkskundemuseum Wien
Laudongasse 15-19
1080 Wien
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