Gewollter Tabubruch
eSeL Foto: We are Everywhere. The Cliffhanger Collection (Landesgalerie Niederösterreich, 22.5. - 12.9.2021)
Mit irrwitzigen Unterfangen verstehen Steinbrener Dempf & Huber, ihre „Culture Jams“ abseits des konventionellen Kunstkanons in öffentliche Räume zu zaubern. Am Ausflugsziel Ötschergräben versperrt neuerdings ein Tourismusbüro in luftiger Höhe den ungetrübten Blick auf die erhabene Natur der Mirafälle, in der Neubaugasse wurden alle Geschäftsschilder gelb verdeckt, auf dem Hotel Interconti durfte SW-Filmikone Harald Lloyd in 3D von einer Uhr baumeln...
Wenn in der Indoor-Ausstellung „We are everywhere“ in der Landesgalerie Niederösterreich derlei Unerwünschtes gar als Selfie-Hintergrund dienen soll, und der Tabu-Bruch zusätzlich durch gelbe Sprechblasen relativiert bis erklärt wird, will zumindest bei der Presseführung keine Freude aufkommen, das Handy zu zücken. Donald Trump sind sowieso immer die anderen.
Daneben laden Gefängnistüren auf Wand geklebt zu Urlaubsdestinationen ein, an denen Menschenrechte missachtet werden. Da die Haftanstalt Stein ganz „in echt“ mitten in den Kulturangeboten der Kunstmeile Krems verborgen liegt, wirkt das Künstlerbemühen ausgerechnet hier mit diesen Beispielen erkenntnisbringenden Schmerz zu provozieren eher als platter Scherz.
Das gelingt der wohlmeinenden Piccinini nebenan in der Kunsthalle weitaus vielschichtiger. Dann lieber zum wahren Klischeeblick auf die Wachau von der Museumsterrasse nebenan oder zu den Wachau-Landschaftsschinken in einem der Stockwerke darunter. Oder – auch neu – ins Forum Frohner, wo Art Brut aus Gugging gezeigt wird: Direkt auf Leinwand gebannte Kunst, die von Künstler:innen-Seite sicher nicht Gefahr läuft, sich in Framing und Kalkül zu verzetteln.
