Kunst der Kaufkraft

eSeL Foto: „OPEN“ Neueröffnung (Heidi Horten Collection, 3.6. - 2.10.2022) eSeL Foto: „OPEN“ Neueröffnung (Heidi Horten Collection, 3.6. - 2.10.2022)

In den Kopf von Heidi Horten muss ich zum Glück nicht schlüpfen. Ins neue Schauhaus konnte der eSeL zur Architektur-Preview durch Architekt:innen Next Enterprise vorab rein (mit anschließendem Rundgang mit dem Ausstellungskurator). Jeden Donnerstagabend (ab nächster Woche) kann jedermensch gratis rein (Timeslots reservieren), bis dahin gibt´s Presspreviews, VIP-Eröffnungen abends und ab Freitag auch Ticketeintritt für Normalsterbliche.

Die innerhalb des Hauses verdreht schwebenden Stockwerke saugen das Raumgefühl nach draussen, was vorwiegend gezeigten Skulpturen oberster Preisklasse feat. West und Wurm zusätzlich Luft zum Bestauntwerden gibt. Flachware hängt vorwiegend an den Innenwänden der Außenwände (und hält sich damit die Betrachter:innen auf Distanz).

Damien Hirsts in Malfarbe festgeklebte Schmetterlinge müssen auf Stockwerkhöhe in einer Nische beim Lift leiden. Kleine, raffinierte Kunstkammer-Kabinette in den Stockwerken bieten Räume für gezielten Rückzug (und thematische Ballungen). Die Riesenkatzen von Ulrike Müller profitieren (Sie startete ihre NewYork-Career übrigens einst hierzulande). Margherita Spiluttinis bukolische doppelbödige Architekturfotos fühlen sich unter einer Treppe wohl. Stefan Olah steht auf der Künstler:innenliste, hab ich aber leider nicht gesehen... Eine Videoinstallation von Philipp Timischl verbindet flimmernd aktuelle Ästhetik und zeigt, wie ein Kunstwerk mit Screens heutzutage im Idealfall aussieht – samt obligatorischer Räudigkeit der Generation Hampster Dance.

Die individuelle Willkür einer Sammlerin, die sich (aber damit auch irgendwie… äh.. uns?) ein Ausstellungshaus baut, hat einen doppelbödigen Reiz, weil trotz Koste-es-was-es-wolle-Mentalität bezüglich Anschaffungen nicht nur übliche Big Names gesammelt und gezeigt werden.

Individuelle Sammler:innen-Entscheidungen, wer nebst Ankauf auch durch Präsentation als relevante Kunst vorgeführt wird (und in Folge: weitere Erfolge im „internationalen Kunstmarkt“), entkoppeln sich dadurch stärker vom Kunstdiskurs, wie er in „normalen“ Museen bzw. Institutionen – und im Idealfall auch unter „normalen“ Menschen – geführt, gepflegt und auch umstritten wird. Dort bemüht man sich bekanntlich redlich, Vorschläge dazu, was gute Kunst sei, durch Kriterien von Qualität und thematischer Relevanz – mitunter auch Moral – zu begründen. Diese Legitimationen werden durch Macht und Geld ersetzt, was zwar generell einiges über den Zustand unserer Gesellschaft aussagt, aber zugleich dazu führt, dass die Kunst nichtssagender wird.

Als Beispiel lässt sich beobachten, dass es dem Trium-Mulierat aus Horten-Husslein-und-Chefkurator-Johannsen in 2022 tatsächlich noch gelungen ist, nur männliche österreichische Künstler zu erwählen, eigens für den Neubau zu gestalten (und damit auch an namhafte Mittel zu gelangen). Markus Schinwald baute mit Hans Kupelwieser einen intimen Teesalon, Constantin Luser schuf eine stockwerkübergreifende Immerhin-Dinosaurierin als musizierende Skulptur und Andreas Duscha gestaltete die Spiegel zu den Toiletten. Die stillen Örtchen sind dafür trendgerecht (und platzsparend) non-binary für alle Vorstellungen von Geschlechtergerechtigkeit.

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