Skulptur ist etwas

eSeL wurde unlängst für ein Kunstgeschichte-Seminar nach seiner Lieblingsskulptur befragt: Das ist schon auch der wunderbar rosa Kunstbrocken vom seligen Franz West, der seit letztem Sonntag endlich wieder auf einem Acker in Loosdorf herumkugelt. Ozelot war fotografieren, eSeL darf in Erinnerungen schwelgen.

Nach dem Passstücken am Körper (mehr dazu s.u.) ist Franz West’ rosa Kunstbrocken am Acker quasi der letzte Puzzlestein in eSeLs individueller Skulpturkunstgeschichte. Ehrenwerten Figuren ein Denkmal zu setzen – wie sie beispielsweise als Dichterfürsten schillernd von der Akademie entlang der Albertina-Achse auf Goethe starren (und dabei noch am neuen Haus der Heidi Horten vorbei schielen) – war vorgestern. Passende Platzbenamsung von Schiller- bis … ja auch ... Lueger meist inklusive. (Die bei letzterem Monument gewordene Anerkennung eines zutiefst ambivalenten Antisemiten wird derzeit übrigens wieder jeden Montag um 17 Uhr lautstark lesend performativ kritisiert.)

Zunehmend wurden die Figuren-Skulpturen von den Markenzeichen der Künstler (fast immer männlich) selbst abgelöst, die sich und ihrem Oeuvre ein oft phallisches Denkmal zu setzen verstanden. Die „Gerngross Säule“, die sich im Blick von der Mahü zum Topkino kaum vermeiden lässt, möge aus Brancusi-gestapelten Mülltonnen hierfür gern als abschreckendes Beispiel dienen. Ganz nach Gusto, weil die feine Ironie des bewussten Hochstapelns stammt natürlich auch von Franz West. >;e)

Bekannt wurde dieser West ja bekanntlich mit unförmigen Umhängeskulpturen, die den Körper des Kunstpublikums verformen; also mit „Passstücken“ beglücken, statt zu demütig staunenden Blicken von unten nach oben zu zwingen.

Bevor wir noch über Skulpturen zum Von-Oben-Draufsetzen sprechen, architektonische Eyecatcher als Aussichtsplattformen besteigen oder Community-Center besiedeln, „soziale Skulpturen“ als gezielte Gestaltung gesellschaftlicher Einwirkung loben, oder über schräge Schinakeln als „skulpturale Setzungen“ grübeln, die sich (dank ihrer zeitgenössischen Urheber:innen) immerhin des Raumes bewusst sind, in den sie sich förmlich einmischen, verschweigen wir hier auch noch flüchtige, vergängliche, performative Kunst-Interventionen im Stadtraum (oft gemeinsam mit der Zivilgesellschaft gesetzt), weil dazwischen passt genau quasi als Schluss- und Wendepunkt jenes rosa Riesen-Trumm am Zipfel eines entlegenen Ackers südlich von Stronsdorf.

„Warum ist etwas und nicht nichts?“ heisst passenderweise das rohe rosa (Un)Ding, das seit seiner Erstniederlegung anno 1997, jetzt 2022 wieder dort rumkugelt und nicht nicht. Einst dachte der eSeL, der wunderbar selbstkritische Werktitel stammt von Kant, doch enthüllt das schreibbegleitende Googeln die Philosophen Leibniz oder Helmholtz als mögliche Urheber des West-Zitats. Aber so dient es als Beweis, dass man auch GAR nichts über intellektuellen Hintergründe eines Kunstwerks zu wissen braucht, um sich an sinnlicher Wirkung physisch erlebbarer Kunstwerke zu erfreuen. So denkt sich jeder seinen Teil – oder auch nichts.

Apropos: Dass es sich damit um ein sauteures Werk des vielleicht teuersten österreichischen Künstlers handelt macht Insider-Wissen um die entlegene Location fast noch genüsslicher. Das Weinviertel ist ja sowieso die Wiege der legendären KunstimöffentlichenRaumNiederösterreich-Initiative, die vor mehr als zwei Jahrzehnten mit ihrer verbuddelten Autobahn in Paasdorf, oder dem ikonischen Zwiebelchen in Unterstinkenbrunn (!) am Kreisverkehr kluge Varianten von kunstsinniger Umfeldgestaltung an und für die Öffentlichkeit zu bringen versteht.

(eSeL weiss das auch, weil er einst einen Fahrradguide zu den Kunstwerken im öffentlichen Raum in Weinviertel gestalten durfte. Restexemplare für radelfreudige Kunstentdecker:innen können gern in der eSeL REZEPTION im MQ abgeholt werden.)

Und während Joanna die renovierte Variante des Westbrockens (inkl. Sozialevent ebendort) neu belichten durfte, bleibt eSeL vorerst das Schwelgen in gesammelten Erinnerungen (übrigens auch eine Art von Kunstsammeln) und die Vorfreude auf’s nächste Wiedersehen mit West.

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