Über Nacht

Fotografie Gruppenausstellung Ausstellung
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2 Termine
Montag 5. Mai
5. Mai
Mo
19:00
Eröffnung
Über Nacht
Dienstag 6. Mai - Samstag 14. Juni
Di 6. Mai -
Sa , 14. Juni
Ausstellung
Über Nacht

Francesco Del Conte (IT), Johnny Linder (DE), Bernd Oppl (AT), Sandra Schubert (DE), Yuki Tawada (JP), Fuku Fukumoto (JP), Dora Tishmann (Y), Stig Marlon Weston (NO)

Eröffnung: Montag, 5. Mai 2025, 19.00 Uhr
Einführende Worte: Petra Noll-Hammerstiel

„In der Nacht beginnt das Reich der Ungewissheit. Schatten werden zu Gestalten, Gedanken zu Wirklichkeiten, und die Zeit verliert ihre festen Konturen.“ (Jorge Luis Borges). In der Ausstellung Über Nacht beschäftigen sich acht Künstler:innen mit Phänomenen, Gefühlszuständen und Wahrnehmungsverschiebungen, die die Dunkelheit – und deren Gegenpol, das Licht – evoziert. In diesem Raum der Transformation stoßen Fiktion und Realität, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, Bedrohung und Poesie aufeinander. Die Künstler:innen haben Arbeiten geschaffen, die ephemere Prozesse, Unbewusstes, Geheimnisvolles und Immaterielles sichtbar machen. Dabei spielen aus dem Unterbewusstsein auftauchende Erinnerungen und Ahnungen in vielen Arbeiten eine große Rolle. Durch den experimentellen Umgang mit den Medien Fotografie und Film gelingt es den Künstler:innen, zu innovativen Lösungen zu kommen: Auf der Basis eigens entwickelter Verfahren werden wissenschaftliche Phänomene wie die Lichtverschmutzung visualisiert oder die Manifestation von Elektrizität in Form von Fotogrammen erreicht. Oder es wird die Asche verbrannter Fotografien in die Glasur von Gefäßen eingearbeitet sowie der Wald als „Fotograf:in“ eingesetzt.

Wie zuverlässig kann die Fotografie wissenschaftliche Phänomene visuell dokumentieren? Das fragt sich Francesco Del Conte am Beispiel der Lichtverschmutzung. Die Serie Skyglow besteht aus drei Bildpaaren, die jeweils einen bestimmten Ausschnitt des Nachthimmels zeigen. Die Arbeiten offenbaren die visuellen Auswirkungen des städtischen Lichts auf die Natur. Gleichzeitig schlägt der Künstler neue Dokumentationsstrategien vor. Die von ihm entwickelte experimentelle Methode besteht darin, dieselben Sternenkonstellationen an verschiedenen Orten mit unterschiedlichem Grad an Lichtverschmutzung zu fotografieren. Er wählte als Referenzsterne Deneb, Wega und Altair, da sie aufgrund ihrer hohen Helligkeit und Zenitlage auch in lichtverschmutzten Gebieten sichtbar sind. Die Kamera wird zum Lichtrekorder und leistet somit mehr als nur die bloße Belichtung eines Films. So sieht Del Conte die Fotografie nicht mehr als Werkzeug zur Erkundung von Erzähl- und Kompositionskonzepten, sondern als Träger wertvoller Informationen – unabhängig von den Interpretationen des Autors.

Johnny Linders Arbeiten sind Visualisierungen ephemerer Prozesse, ein Sichtbarmachen von Veränderungszuständen, Realitätsfragmenten und immateriellen Dynamiken. Oft arbeitet er dabei mit analogen fotochemischen Prozessen oder der allmählichen Veränderung von Materialien, wobei er die Performativität und das reaktive Potenzial dieser Materialien auf seinen eigenen Körper bezieht. Wiederkehrende Themen, die ihn beschäftigen, sind: Körper, Unsicherheit und Nähe, Instabilität, die Qualität von Berührung sowie die Bedeutung und Überschreitung von Bildern, Schichten und Beziehungen. Er widmet sich dem Unvollendeten, dem Uneindeutigen und Flüchtigen. Linder zeigt u.a. den Experimentalfilm Soft noise in darkness über den schwebenden Zustand des Geistes: Ungewollte Erinnerungen dringen ins Bewusstsein ein und evozieren ein verschwommenes Gefühl zwischen Nähe und Ungewissheit. Gedreht auf Super-8- Film, wurden diese Bilder während der Entwicklung durch eine chemische Reaktion umgewandelt, was zu einer einzigartigen Farbveränderung führte.

In Bernd Oppls Arbeit manifestieren sich Räume als Miniaturdioramen – intime, bühnenhafte Schaukästen an der Wand, die zum Hineinspähen einladen, Orte des Dazwischen im Spektrum zwischen Nähe und Distanz. In dieser Ausstellung werden dunkle Innenräume gezeigt, die untrennbar mit unterschiedlichen Medien, die sie beherbergen, existieren, und verschwinden, sobald diese nicht mehr präsent sind. Dazu gehören mit diverser Elektronik und Licht ausgestattete Modellkästen wie Sleep Mode, ein Raum mit einem hellen, „schlafenden“ Laptop auf einem Bett in der Nähe eines pulsierenden Fensterlichts, und The rhythm of the night, eine Karaoke-Bar mit flackerndem, farbigem Discolicht oder auch I looked around the internet, ein menschenleeres Internet-Café, dessen Computerbildschirme die Screensafer-Animation eines Sternenhimmels zeigen. Die neue Arbeit I can’t see you laughing zeigt ein Wohnzimmer-Szenario im Stil einer Sitcom, bei dem das Licht erst mit jedem Lachen aufleuchtet und man ansonsten nur eine schwarze, menschenleere Bühne sieht.

Aus dem 18-teiligen Werkkomplex Night Dive zeigt Sandra Schubert Fotocollagen und Baryt-Prints von Meereslandschaften und Modellen von Meerestieren sowie ein 22-seitiges Künstlerinnenbuch. Das Thema der Arbeit ist die Beziehung des Menschen zur Natur. Hier ist die Natur, das Meer, Projektionsfläche von Ängsten und Sehnsüchten, Repräsentation oder Reproduktion menschlicher Vorstellungen von ihr. Tiere werden zu Kulturgegenständen. Zusammengehalten werden die einzelnen Bilder durch einen in die Arbeit integrierten Textteil, der eine kindliche Allmachtsfantasie beschreibt. „Die zurückgenommenen SW-Aufnahmen wirken sachlich und hintergründig, wie ein Archiv aus etwas unheimlichen Erinnerungen.“ (Katharina Bosse, 2023) Auf der formalen Ebene setzt sich die künstlerische Arbeit mit fotografisch reproduzierten Bildern, ihrer Genese und Zirkulation auseinander.

Lachrymatory ist Teil eines gemeinsamen Projekts der Fotografin Yuki Tawada und der Keramikkünstlerin Fuku Fukumoto, die seit 2020 als Künstlerinnenduo arbeiten. In ihrer Zusammenarbeit, die im Rahmen einer Ausbildung an der Kyoto University of the Arts begann, untersuchen die beiden Künstlerinnen kontinuierlich die gemeinsame Sprache und Sensibilität von Fotografie und Keramik, wobei sie die Möglichkeiten jedes Mediums erweitern. Lachrymatory ist ein Kunstwerk, das aus einem Workshop hervorgegangen ist, bei dem die Teilnehmer:innen jeweils eine Fotografie mitbrachten, diese verbrannten und die Verwandlung in Asche beobachteten. Anschließend wurde die Asche als Glasur für ein Tränengefäß verwendet. Aufgrund des Brennvorgangs löste sich das Foto in der Glasur auf. Durch die Transformation persönlicher Erinnerungen in eine greifbare Form hinterfragt das Werk die Materialität von Bildern und die flüchtige Natur der Erinnerung.

Die Beschäftigung mit dem Buch Genesis weckte bei Dora Tishmann das Interesse an Licht und dessen Phänomenen – insbesondere an Elektrizität und deren Manifestation. Es entstand die Fotogramm-Serie And there was light. In der Dunkelkammer hat sie ein Verfahren entwickelt, bei dem elektrische Strahlen wie Blitze auf Pflanzen, Mineralien, Formen und Objekte treffen. Diese flüchtige Erscheinung hält sie in Form von Fotogrammen fest. Die geometrischen Formen zeichnen die Räumlichkeit des Lichts nach und erinnern an die Strukturen und Kräfte des Universums. Leitende Körper wie Pflanzen und Mineralien ermöglichen es ihr, die zelluläre und molekulare Materialität des Lichts auszudrücken. In diesen Fotogrammen enthüllt das elektrische Licht eine verborgene Dimension, die für das menschliche Auge nicht wahrnehmbar ist. Es bringt eine Geometrie des Kosmos zum Vorschein, in der das unendlich Kleine und das unendlich Große koexistieren und die Maßstäbe sich vermischen.

Stig Marlon Weston zeigt kameralos entstandene Silbergelatine-Kontaktprints aus der Serie Grove Trunks, sinnlich-poetische und gleichsam finster-bedrohliche Schwarz-Weiß-Schattenbilder von Bäumen. Auf den Waldwegen, auf denen er als Kind Fantasiewelten erschaffen hat, trägt er heute große Filmrollen mit sich herum: Mitten in der Nacht hängt er seine Filme in den Bäumen auf und lässt den Wald seine Arbeit tun. Es entstehen lebensgroße Kontaktabzüge. Die Risse und Kratzer sind ebenso Teil des Abdrucks der Bäume wie die Form und der Schatten, die sie auf dem Material hinterlassen. „Und wenn ich die Orte der Erinnerung an mir vorbeiziehen lasse, kann ich immer noch die Spuren der Trolle finden.“
Petra Noll-Hammerstiel

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