Marc Henry | Field Trip
Jonas Höschl | Sensitive Content
Marc Henry | Field Trip
Marc Henrys Bildwelten speisen sich aus den Bilddatenbanken der Untiefen des Internets und eigenen Fotografien des Künstlers. Seine Funde legt er mithilfe diverser Softwares übereinander, verschmilzt sie und löst einzelne Teile wieder heraus, bis gänzlich surreale, beinahe unheimliche Szenen entstehen, die er schließlich als Vorlage für seine Bilder verwendet. Das Malen auf grobem Leinen ermöglicht ihm einen partiellen Kontrollverlust über den Farbauftrag, wodurch er sich selbst sowie die Betrachter:innen vom Subjekt entrückt, und den Symbolgehalt stärker betont. Seine Bilder schaffen halluzinogene Welten, die in sich eine Selbstreflexion der Malerei beinhalten.
Inhaltlich gesehen geht Marc Henry in erster Linie von Emotionen aus. Das Suchen nach Wahrheit und Sinnhaftigkeit im Leben, sowie die Unsicherheit, die sich zunehmend in der jüngeren Generation breitmacht, sind in vielen seiner Werke präsent. Das Bild soll weniger als anprangernde Kritik, sondern mehr als Resonanzraum verstanden werden. Malerei entwickelt sich somit aus der Tradition des selbstsicheren Statements hin zum Angebot spezieller Ideen und Empfindungen.
In dieser Serie tauchen zum ersten Mal Walddarstellungen auf. Der Wald suggeriert die limitierte Perspektive des Menschen und verbindet den Wunsch nach Zugehörigkeit mit dem Streben nach Welterkenntnis der Romantiker im frühen 19. Jahrhundert. Aus dieser Verknüpfung entspringt schließlich die Erkenntnis, dass der Drang nach Selbsterhebung, besonders in unserer post-faktischen Gesellschaft, zu Irrwegen führen kann. Die Serie entwickelt sich von Landschaftsansichten hin zu Interieurs, in denen die Künstlichkeit der Büroräumlichkeiten (Office-Core) auf die emotionale Topografie des Film-Noir trifft. Gleichzeitig verschiebt sich der Blick als Analyse der Gesellschaft hin nach Innen. Die Rolle des Individuums, und hier besonders die des Künstlers innerhalb sozialer Strukturen, rückt in den Vordergrund.
The Elevator (Dream Sequence) zeigt eine Schafherde, als Symbol für das angepasste Verhalten in einer Gruppe. Die Tiere wirken fehl am Platz, wie künstlich in ihre Umgebung eingefügt. Eines der Schafe hat ein menschliches Gesicht, das ebenfalls wie durch künstliche Intelligenz verzerrt und unnatürlich wirkt und offenbar am ehesten gegen die Maschinerie der vereinheitlichenden Strukturen des modernen Lebens anzukämpfen versuchen wird. Alledem unterliegt die Idee des ‚Play pretend‘, des ‚so tun als ob‘. Es ist dies eine Art kindisches Verhalten, in dem wir uns an das, was wir um uns herum sehen, anpassen wollen, nicht, weil es uns selbst entspricht, sondern um dem zu gleichen, was uns umgibt. In diesem Sinn können die Interieurszenen, die in Henrys Werken als Sinnbild für das Unnatürliche und Aufgezwungene dienen, auch als zutiefst menschliche Überlebensstrategie des Individuums im Kapitalozän verstanden werden. Bilder wie „Sceptics Expect More Muted Growth I” vereinen die kapitalistische Maschinerie mit der Domestizierung der Natur. Der Titel verweist auf ein Oxymoron des Börsensprechs, während das Bild eine Zypresse als gezähmte Natur in einer Museumsvitrine zeigt.
Das Vermischen von Natur und Büroalltag erinnert sowohl an die absurde Welt aus Jaques Tatis Film Playtime, als auch an die Landschaftsbilder der Nabis Maler wie Pierre Bonnard, Paul Sérusier oder Felix Vallotton. Durch das Wechselspiel von Präzision und Indifferenz generiert Henry eine eigene Bildsprache, die in ihrer traumartigen Absurdität die fundamentalen Fragen nach Menschlichkeit und Gesellschaft gekonnt anspielt.
Text von Lorenz Ecker
Jonas Höschl | Sensitive Content
Jonas Höschl (*1995, Regensburg) is a conceptual artist and photographer. For his artistic work, which includes the media of printmaking, sound, video, and installation, he has received several awards, including the Bavarian Art Promotion Award for Visual Arts and the Cultural Prize of the Upper Palatinate District for printmaking. His most recent publications include the art books „Fade Away Medley (The Weather)“ and „Politik von Medienbildern (Hatje Cantz)“. His new book „80 Portraits: 73 Männer, 7 Frauen“ will be released soon by the Verlag für moderne Kunst.
In his printmaking and video works, he questions the identity-forming potential of political systems. Using regional political scandals and European conflicts as examples, he illustrates the alienation from unifying ideals. Jonas Höschl adopts the sometimes-historical visual languages of ideologies with different orientations to expose propagandistic manipulation. Through recontextualization, he highlights the referentiality of time documents.