Enthüllt
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Der Akt, also die Darstellung des nackten menschlichen Körpers, begann seine bildnerisch-skulpturale Existenz als Kultobjekt, bezog seinen Namen durch den Umstand, dass man den Körper zu Studienzecken in Bewegung setzte und endet gegenwärtig in einer unüberschaubaren Flut pornografischer Bilder. Dies führt im Gegenzug zu einer neuen Art von Prüderie, bei der schon das leiseste Interesse an Nacktdarstellungen, wie künstlerisch oder historisch bedeutsam auch immer, unter Verdacht gestellt wird, wobei Facebook und Instagram die Leitlinie vorgeben, wenn sie die Venus von Willendorf als pornografisch einstufen. Dazwischen liegen die bekannten, allesamt im 19. Jahrhundert angesiedelten (Nackt-)Kunstskandale um Manet, Goya, Courbet und so weiter, die heute natürlich keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken würden, bei all dem, was einem gegenwärtig im Mainstreamkino und Theater zugemutet und von einem breiten Publikum toleriert wird.
Dabei ist das eigentliche und viel weniger marktschreierische Feld des klassischen Aktbildes die Zeichnung – von der schnellen Skizze bis zur ausgearbeiteten Studie, eigenständig oder als Vorbereitung für ein größeres Werk in einem anderen Medium. Wenn hier vom gezeichneten Akt die Rede ist, dann sind auch gedruckte Bilder nicht weit. Denn entweder entstehen sie ebenfalls nach Vorzeichnungen, wie dies zum Beispiel bei den Holzschnitten von Käthe Kollwitz der Fall ist, oder sie werden wie bei der Radierung oder Lithographie direkt auf eine Druckmatrix gezeichnet – im Falle der deutschen Expressionisten auch spontan mit dem Messer in einen Holzstock geschnitten. Im Gegensatz zu manchen auf Papier gezeichneten Studien sind Drucke (und damit sind nicht maschinell reproduzierte Abbildungen gemeint) allerdings immer als eigenständige Kunstwerke zu verstehen, dient ihr Ergebnis doch nicht oder nur selten zur Übersetzung in ein anderes Medium. Eine Sonderstellung des gedruckten Aktbildes nimmt die Fotografie ein. Auch wenn sie, zumindest der chemisch entwickelte analoge “Abzug”, keine druckgrafische Technik darstellt, ist ein Überblick über die Geschichte des Aktbildes ohne Einbeziehung der Fotografie schwer vorstellbar, hat sie doch zum Beispiel schon früh Aktvorlagen für Künstler geliefert. Im Übrigen musste das Foto im Laufe seiner Geschichte oft genug zur Vervielfältigung für größere Auflagen erst in ein druckfähiges Medium überführt werden, um so als “Heliogravüre”, “Collotypie”, “Kupfertiefdruck” oder eben neuerdings als “Giclée-Druck” dauerhafte Form anzunehmen, ganz zu schweigen von den vielen Möglichkeiten, fotografische Vorlagen im Siebdruck oder anderen druckgrafischen Medien einzusetzen.
Die Ausstellung in der Galerie Hochdruck versammelt gedruckte und gezeichnete Aktdarstellungen aus über 500 Jahren: von Dürers ironischem und höchstwahrscheinlich autobiografischem “Männerbad” (um 1497), über mythologische oder alttestamentarische Darstellungen wie Hans Sebald Behams “Joseph und Potiphars Weib” (1544), bei der man – auch wegen des kleinen Formats – unweigerlich an historische Aktfotos im Carte-de-Visite-Format denken muss, über die die Verletzlichkeit des menschlichen Körpers in den Vordergrund rückenden und aufwühlenden Darstellungen von Käthe Kollwitz, die flüchtig hingeworfenen Männertorsos eines Anton Kolig bis zu den witzigen (Selbst-)Darstellungen des Fotografen und jüngsten Teilnehmers der Ausstellung Kia Sciarrone.