Bei der Gegenüberstellung der Werke von Olivia KAISER und des Poeten William Carlos WILLIAMS (WCW) geht es um das Schaffen von Bildräumen, von Raumbildern. Ob nun der Pinsel in Aktion tritt oder die Worte des Dichters: wesentlich ist ein Moment der Plötzlichkeit, das Aufblitzen eines poetisch verdichteten Moments, der sich im Moment des Erscheinens schon wieder verflüchtigt hat. Sowohl die “Dichtung” von Olivia KAISER, als auch die Gedichte von WCW suspendieren die Zeit als Chronik der laufenden Ereignisse. Es geht um Ausrisse aus der Wirklichkeit, welche Präsenz, Aktualität, Gegenwart forcieren. Das Alltägliche kann dabei Material für die poetische Durchdringung liefern.
Among the rain
and lights
I saw the figure 5
in gold
on a red
firetruck
moving
tense
Solche Worte, die Bilder gleichsam evozieren, treten in ein Spannungsverhältnis zur real existierenden Malerei von Olivia KAISER. Dadurch, dass die Künstlerin Gedichtelemente des Sprachminimalisten WILLIAMS entführt – man könnte auch von einem Kidnapping der Worte sprechen, um mehr “Action ins Painting” zu bringen – wird sie selbst zur Leserin ihrer eigenen Bilder. “Ich verändere aber die WILLIAMS-Snippets nicht,” sagt die Künstlerin. “Ich passe sie nicht an, ich schreibe sie nicht um. Ich möchte zeigen, dass weder über das Bild noch über das Wort letztgültig verfügt werden kann.” Es handelt sich somit um eine feinstoffliche Bearbeitung der unterschiedlichen Ausdrucksmodalitäten: Bei WILLIAMS gehe es bei den Gedichten, die mit Bildern assoziierbar sind – etwa bei picture of a nude in a machine shop oder your thighs are apple trees whose blossoms touch the sky oder zzzzzzzz! step on the gas, brother (the horn sounds hoarsely) oder she has seen the horse passing! – um eine wahrnehmungspsychologische Annäherung an das, was vermeintlich der Fall ist. Sowohl das Sprachspiel von WCW wie auch die malerischen Setzungen von Olivia KAISER sind Versuche, das Inkommensurable in eine Form zu bringen, ohne es darauf festzulegen. Die Polysemie der schillernden Sinn- und Bedeutungspermutationen ist ein wesentlicher Aspekt der Engführung von poetischer Dichte und visuellem Überschwang.
So ergibt sich ein Betrachten von Texten und ein Lesen von Bildern: “In der Gegenüberstellung meiner Bilder und Textausrisse der Gedichte von WCW möchte ich eine Art Parallelstruktur schaffen.”
at the small end of an illness
there was a picture
probably Japanese
which filled my eye
an idiotic picture
except it was all I recognized
(Text: Thomas Miessgang, 2024)