THROW AWAY YOUR BOOKS, RALLY IN THE STREETS (Sho‐o suteyo, machi‐e deyo)
Shuji Terayama, Japan 1971, 138 min.
EINTRITT FREI
Throw Away Your Books, Rally in the Streets beruht auf einem Theaterstück, das von Terayamas im Jahr 1967 gegründeter Theatertruppe Tenjo Sajiki zwischen 1967 und 1968 in unterschiedlichen Versionen aufgeführt wurde, um schließlich 1971 von Terayama verfilmt zu werden. Es handelt sich um den ersten Langspielfilm des Regisseurs, der unter anderem beim San Remo International Film Festival 1971 den Grand Prix gewann.
Throw Away Your Books, Rally in the Streets beginnt als fiktive psychologische Studie, verwandelt sich zwischendurch in einen Agit-Prop-haften Aufruf zu politischem Aktivismus und kultureller Revolte, der sich an die Jugendbewegungen und Gegenkulturen im Japan der späten Sechzigerjahre richtet,
um dann wieder in eine delirierende Montage fragmentierter und asynchroner und Bildsequenzen überzugehen, die das psychische Chaos und die inzestuösen Verstrickungen eines namenlosen jungen Mannes und seiner dysfunktionalen Familie darstellen. Diese Familie besteht aus einem arbeitslosen, voyeuristischen Vater, einer Großmutter, die sich vor allem als Trickbetrügerin betätigt, und einer Schwester, deren Liebe zu ihrem Hasen sich im Laufe der Zeit in eine bestialische Obsession verwandelt.
Gegen Ende dieser schrillen und waghalsigen filmischen tour de force werden drei Filmemacher genannt, deren Werke Terayama als Bezugspunkte dienen: Roman Polanski, Nagisa Oshima und Michelangelo Antonioni. So evoziert dieser Film sowohl Polanskis filmische Kommentare zu Gewaltstrukturen innerhalb von Familien, Oshimas radikale Absage an die Kultur der japanischen Nachkriegsgesellschaft, wie auch Antonionis Beschäftigung mit Werteverlust und bürgerlicher Doppelmoral.
Die fragmentierte, kaleidoskopartige Handlung wird von einer Reihe psychedelischer musikalischer Sequenzen durchsetzt: Throw Away Your Books, Rally in the Streets ist ein leidenschaftlicher, idiosynkratischer Filmessay eines radikalen und unabhängigen Filmemachers, der Widersprüche nicht auflösen, sondern zuspitzen will.