Palimpsest/e“ *
- Gruppenausstellung -
Eine überdimensionierte gläserne Auslage dient als Bühnenraum, ein Vorzimmer als kleinstes Kino von Wien, ein Raum mit freigelegtem Deckenfresko und sechsarmigem Luster als Galerieraum, anschließend ein Billiardraum - 1 € pro Spiel - und ein Barraum, in dem „Sheyksbeer“ ausgeschenkt wird.
Diese Schilderung beschreibt The Window, die Räumlichkeiten des Jüdischen Theaters Austria, das seit 1999 existiert.
Wie die Bedeutung des Begriffs Palimpsest vielseitig ist, so heterogen sind auch die Positionen der KünstlerInnen, die mit ihren Arbeiten wiederum Geschichtlichkeit in die Räumlichkeiten des Theaters einschreiben.
Der umfassenden Vergangenheit des Jüdischen Theater Austria steht seine gegenwärtige Dynamik gegenüber, die als ständiger Entstehungs- und Überschreibungsprozess stattfindet. In diesem Feld erarbeiten die KünstlerInnen das Gefüge der Ausstellung, die am Abend des 22.11. eröffnet wird.
Teilnehmende KünstlerInnen:
Renata Darabant, Ines Hochgerner, Kathrin Meurer, Markus Proschek, Haim Sokol, Christoph Srb, Reinhold Zisser
Renata Darabant
Exil
In der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg sind tausende Menschen aus Österreich, mit Hilfe eines Visums, nach Shanghai geflohen wo sie ihr Leben im Exil fristeten. Sie brachten ihre Kultur und ihre Traditionen mit sich und lebten dort während sie davon ausgehen mussten, dass ihre Verwandten und Bekannten wohlmöglich deportiert und ermordet wurden. Spiele sind eines der kleinsten Systeme komplexer Handlung. In diesem “Spiel” geht es darum die Figuren an den forgesehenen Orten zu positionieren.
Ines Hochgerner
Portrait Nr. 1
Sigmund Freuds Couch ist im Lauf der Zeit zu einem starken Fetisch geworden. Sie repräsentiert unter anderem die zahlreichen Sitzungen, in denen sich Freud auf die Suche nach den unbewussten Triebkräften seiner Patienten begab. In der Übersetzung dieser Requisite der Pilgerstätte Sigmund Freuds in London in das Medium Malerei, wird der Fokus auf den Fetisch-Charakter des Möbelstücks gelegt. Das Weglassen der Teppich-Schicht, eröffnet einen mutmaßlichen Blick auf die Spuren, die von den Körpern der Patienten hinterlassen wurden.
Kathrin Meurer
Mies’ Bohnen
Der Barcelona Pavillon; eine Ikone moderner Architektur, die Ludwig Mies van der Rohe für die Weltausstellung 1929 in Barcelona entworfen hat. Damals sollte der Pavillon den Fortschrittsgedanken Deutschlands symbolisieren. Jetzt steht er da. Eine Miniatur, die von Pflanzen überwuchert wird. Winden, Wicken, Bohnen und Erbsen erobern die fließende Raumstruktur, und erzeugen eine Konfrontation von Außen und Innen. Der Außenraum, den van der Rohe durch die Raumstruktur nach Innen ziehen wollte, drängt sich nun in das Bauwerk, sucht Wege die Bausubstanz zu überwuchern, zu bezwingen und letztlich vielleicht zu zerstören. Wachstum trifft auf Architektur. Bewegung trifft auf Stillstand. „Chaos“ trifft auf „Ordnung“, auf „Struktur“.
Markus Proschek
8TT8
Weininger?s balls: Otto spiegelt Otto, Otto die schwarze Acht, OTTO die Doppelacht. Die fatale Aufspaltung: progressiv-reaktionär. Geschlecht und Charakter. Ende.
Haim Sokol
Rein (Clean)
- Wien ist sehr sauber. Es ist so unglaublich sauber. Viel sauberer als Moskau.
- Wirklich? Es gibt sehr viele Leute, die dir nicht zustimmen werden. Sie denken, dass Wien recht schmutzig ist…
Christoph Srb
Frau Krise und Herr Final
Ausgangspunkt bei dieser Arbeit war mein Interesse für Film, meine Liebe zum Pathos, verschiedene Zitate von Filmen, und persönliche Notizen von Beobachtungen. Es ist dies ein sehr persönlicher Film, der Zitate aus Filmen von Bergman, Fassbinder und Cassavetes mit Beobachtungen von mir vereint, und durch eine scheinbar wahllose Aneinanderreihung der einzelnen Szenen eine Brechung der Narration zeigt. Gedreht wurde in Prag.
Reinhold Zisser
Six Lightbox Frames
In der Serie “Lightbox Frames“ zeigt Reinhold Zisser eine Serie von großformatigen Glasplattennegativen aus den späten zwanziger Jahren. Klassische Bilderrahmen mit Passepartout wurden zu Leuchtkästen umfunktioniert in denen die Originalnegative gezeigt werden. Weder existieren von diesen Negativen Fotoentwicklungen noch sind die genauen Umstände Ihres Entstehens bekannt.
Performance: Kamen Stoyanov
* Als Palimpsest bezeichnet man ein antikes oder mittelalterliches Manuskript, das nachdem durch Schaben oder Waschen gereinigt, anschließend neu beschrieben wurde. (lat. codex rescriptus)
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wird der Begriff mehrfach als Metapher für geistige und kreative Prozesse verwendet. Den StrukturalistInnen diente der Begriff als literarisches Motiv für die Funktion des Schreibens, da Geschriebenes immer im Kontext von bereits Geschriebenem steht. Elvin Jellinek beschreibt mit dem Begriff der alkoholischen Palimpseste Räusche mit Erinnerungslücken.