Das Begräbnis als visuelles Spektakel wurde schon früh zu einem bevorzugten Genre des Kinos. Nirgends verband sich das Morbide mit der Moderne so synergetisch wie in Wien.
Gesamtlänge ca. 50 Minuten
Das liebevoll-morbide Verhältnis der Wiener zum
Tod ist legendär und längst Teil der Alltags- und Populärkultur geworden. Wo sonst finden sich so unzählige Dialekt-Beschreibungen für das Ableben (»A Bankl reißen«, »Die Potschen strecken«, »Den Holzpyjama anziagn« uvm.)? Wo, wenn nicht in Wien, verbindet sich der schwarze Humor mit der Vergänglichkeit? Das Wiener Lied gespielt und gesungen dort, wo Schwermut und Todessehnsucht im Alkohol ertränkt werden. Wein und Musik überbrücken die Spanne, bis es dann endlich »geschafft « ist, das Leben. Wo sonst, außer in Wien, – ließe sich ergänzen – hätte die Psychoanalyse ihren Ausgangspunkt nehmen sollen?
Die Vollendung des Daseins wird in Wien gefeiert. »In Wien musst’ erst sterben, damit sie dich hochleben lassen. Aber dann lebst’ lang«, hat es der kritische Menschendarsteller und Kabarettist Helmut Qualtinger auf den Punkt gebracht, wobei er gleichzeitig auf einen anderen Wesenszug des Wieners verwies – den Neid. Argwöhnen und Staunen soll die Nachwelt auch beim Anblick des pompösen Leichenbegängnisses, auf das man zu Lebzeiten nicht selten gespart hat. Die Besonderheit dieses visuellen Spektakels, gepaart mit einem Schuss Voyeurismus, erkannte die Kinematographie von Beginn an. Jetzt vermochte sich das Morbide mit der Moderne zu verbinden, die technische Dokumentation der Totenfeiern für die Nachwelt avancierte zu einem eigenen filmischen Sub-Genre. Systematisch wurden Kameras in Stellung gebracht, wenn Adel und Kaiser, Politik, Künstler und Sportler ihren letzten Weg antraten. Ablesbar wird das Protokoll einer Inszenierung: Schmuck und Entourage, Trauergäste und beobachtendes (hier aber auch: beobachtetes) Volk sind Teil des Spektakels. Viele dieser von vornehmlich staatlichen, aber auch privaten Unternehmen beauftragten Aufnahmen haben längste Eingang in das visuelle Gedächtnis der Nation gefunden – ob die Trauerfeierlichkeiten für Kaiser Franz Joseph, das Begräbnis des Wiener Bürgermeisters Karl Lueger oder die von Fackeln erhellte nächtliche Bestattung Curd Jürgens’.
Zum jährlichen Bilderreigen zählen zudem die Totengedenken zu Allerheiligen und Allerseelen. Auch hier standen die Ehrengräber der »nationalen Helden« stets im Zentrum. Langsam gedachte das offizielle Österreich auch jener, die Faschismus und Nationalsozialismus zu Opfern gemacht hatte, die aber als neue Leitfiguren für andere Werte und Ideale stehen. (km)
Kuratorin: Karin Moser
Stummfilme live begleitet von Florian C. Reithner