Tamara Horáková, Ewald Maurer: Rauschen

Bildende Kunst Eröffnung
➜ edit + new album ev_02vvBxhYJyvkDdoPk1oY7g
1 Termin im Archiv
bis Freitag 21. März
13. Feb. 2014 -
Fr 21. März 2014
19:00
Tamara Horáková, Ewald Maurer: Rauschen

Variationen eines Endes
Im Jahr 2012 erhielten Tamara Horáková und Ewald Maurer einen höflichen Anruf aus Marly in der Schweiz. Aus ökonomischen und ökologischen Gründen, so erklärte die Stimme am anderen Ende der Leitung, wäre es nicht länger mehr möglich, Bilder in Ilfochrome zu entwickeln. Aber nichtsdestotrotz würden die Techniker des Labors, die schon lange mit der Arbeit von Maurer und Horáková vertraut waren, anbieten, für die Künstler eine allerletzte Entwicklung zu machen, bevor das Verfahren endgültig aus der Produktion genommen würde.
Horáková und Maurer begegneten einander 1967 an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Ihr bevorzugtes Medium in der Zusammenarbeit war seit 1984 die Photographie. Nachdem im vergangenen Jahrzehnt digitale Techniken nach und nach die analogen Methoden, praktisch wie auch in der öffentlichen Wahrnehmung, zum Verschwinden gebracht hatten, nutzten Horáková/Maurer die digitale Technik um viele ihrer Bilder zu vervielfältigen oder zu vergrößern, aber ihr primäres Vorgehen blieb analog. Ilfochrome (auch bekannt unter seinem früheren Namen Cibachrome) war ihr liebstes Material, weil es Bilder von einzigartiger Leuchtkraft und Dichte hervorbringt, mit vibrierenden Farben, die länger dem Verblassen trotzen als andere fotografische Filme.
Die letzten zwei Arbeiten, die in Marly entwickelt wurden, waren Horákovás
ei-far-got-of (2012) und Maurers Last Print (2011/12). In ei-far-got-of, eine ironische Zerstückelung und Umkehrung klingt zwingend, wiewohl fragmentarisch ein Satz in Englisch an, während anderseits das deutsche Wort eine Art letztes Rätsel des Mediums selbst zu lösen scheint. Maurers LastPrint brodelt fast vor Intensität, die giftige Aura von Violett bedient sich ein letztes Mal der seltsamen, gel-artigen Tiefe, welche die Ilfochrome Farbschichten den Bildern verleihen.
Diese beiden letzten fotografischen Arbeiten sind, jenseits der Entstehungsgeschichte, lediglich abschließende und sehr knappe Gesten, einer, wie man sagen könnte, Serie von Variationen des Los-Lassens der analogen Photographie.
Viele der Arbeiten in der Ausstellung Rauschen in der Galerie Raum mit Licht, so die Auswahl aus der Photo Papers Serie, wie auch die Bilder um »Silver Bullets« ( »Rochester Cat« und die Auswahl aus der Screenshot Serie) beinhalten unterschiedliche Ebenen der intensiven Beschäftigung mit dem Medium Fotografie selbst.
Die frühesten der ausgestellten Arbeiten, verschiedene Exemplare aus der Photo Papers
Serie (2007-2009) zeigen das Längenmaß von Fotopapieren, welche, nachdem sie gerollt, gefaltet, und in Form gebracht waren, vor neutralen Hintergrund abfotografiert wurden. Im Fall von PP # 4 gibt der verblüffende Kontrast von schwarz auf weiß dem Bild etwas von kryptischer Kalligraphie, so anmutig wie unentzifferbar. »PP #9« und »PP # 10« zeigen das Papier bucklig und zerknüllt, es vermittelt den skulpturalen Eindruck von Wolken, die sich über den Köpfen der Sterblichen in den Himmeln barocker Altarbilder auftürmen. Das Papier, mit seinen unterschiedlichen Strukturen, wird „gestylt“ und in verschiedene Posen gebracht, gerade so wie ein Portraitierter für die Aufnahmen eines Photo-Shootings. In diesen selbst-reflexiven Still-Leben wird das Material, das für die Produktion genutzt wird, zugleich Sujet der Abbildung, Sujet und Subjekt, es entsteht eine Art »Selbst- Portrait« des Materials.
Chronologisch zwischen den eleganten Kompositionen der Photo Papers und den letzten Vergrößerungen gelegen, ist eine Reihe von Arbeiten zu sehen, die aus einem singulären Akt der Gewalt entstanden sind. »Siver Bullets« (2010), »Screenshots« (2010/11) und »Rochester Cat« (2014) haben alle denselben Ursprung : Die Künstler nahmen eine Schachtel Fotopapier auf dem bereits Bilder entwickelt waren, inklusive Schutzhülle, und durchschossen sie mit Kugeln aus einem Luftgewehr. In der expliziten Lesart sind die Löcher, welche die Kugeln auf jedem Blatt und Bild hinterließen, Folgen eines Aktes der Gewalt, sie wirken jedoch auch, ganz im Gegenteil, wie Sternbilder, Mottenlöcher oder die spielerischen Spuren einer Katze. Die Silberkugeln, die diesen Schaden angerichtet haben, sind natürlich mehr als nur Munition. Die mythische Silberkugel ist das magische Mittel, das nötig ist um ein mythische Monster zu töten.
Hier sind diese Kugeln buchstäblich durch das Herz des photographischen Prozesses gedrungen.
All diese Arbeiten formulieren zusammen Variationen über ein Ende. Nach annähernd 3 Jahrzehnten des präzisen Ansprechens, Bewertens und Neu-Bewertens ziehen sich Horáková/Maurer aus diesem Diskurs mit dem Analogen zurück, indem sie es gleichsam zur Reliquie eines selbst-reflexiven Ornamentes machen, es mit magischen Mitteln austreiben oder ihm zum Abschied einen Brief schreiben. All diese Gesten scheinen im Resultat der Arbeit doch wieder diesem Medium zu huldigen, während sie das Material und sogar das Wort „Fotografie“ ins Ornament transformieren. „Das Ornament“, so Dave Hickey, „ zelebriert Etwas, das es außerhalb unserer Selbst schon gibt, das wir schätzen und als solches ist es ein Diskurs der Liebe.“
So betrachtet, werden die Unterschiede in diesen Gesten weniger Varianten des Rühmens sein, als vielmehr unterschiedliche Arten des Zurecht-Kommens, wechselnde Modelle, die eine gewisse Ambivalenz reflektieren angesichts eines Endes, das aufgezwungen und nicht selbst gewählt ist.

Die Potentialität von Lärm
Ebenso wie es in den visuellen Künsten keine völlige Leere geben kann, so ist auch
auf der Ebene der Geräusche vollkommene Stille undenkbar.
Toningenieure der Filmindustrie nennen dieses Phänomen »Raum-Ton«. Und selbst, wenn jeder äußerliche Ton abgezogen wäre, etwa in einem Spezial-Tank, könnten wir den Geräuschen unserer eigenen Körper nicht entfliehen. »White Noise/ Rauschen« ist analog dazu das Geräusch der mechanischen Geräte selbst, das Summen des Transistors, ein hohes Klingeln im Ohr, das Brummen von fluoreszierenden Lampen.
Die neueste Arbeit in dieser Ausstellung, eine Auswahl aus den Serien »Rauschen« (2014) und »WN (White Noise)« imitieren das beständige Krachen einer schlecht eingestellten Radiofrequenz. Diese Bilder sind ohne jede analoge Bezugnahme entstanden, sie wurden digital in Photoshop hergestellt und direkt vom file auf Fotopapier gedruckt.
Das visuelle Feld, welches hier entfaltet wird, ist jener Umschlagpunkt, an dem ein Bild auftauchen oder verschwinden könnte, entstanden aus den Schatten veränderlicher Dichte und den Wechsel der Farben in der Masse der Pixel. Ein Bild wird wahrnehmbar, ist aber nicht zu erkennen. Das akustische Phänomen des „Rauschens“ nimmt visuelle Form an, Farbtöne als Mimikry von Ton-Farben.
»Rauschen« ist eine Eigenschaft der Hardware, ein Feld der Potentialitäten, visuell wie akustisch, ein Geist der Maschine. Diese Zusammenstellung von Arbeiten von Tamara Horáková und Ewald Maurer im Kontext einer Ausstellung in der Galerie Raum mit Licht präsentiert die knappe Übersicht eines Übergangs, den Nachweis eines Endes, begleitet vom dunklen Brummen des Versprechens der Maschinen.

Text: Virginia Dellenbaugh

...Mehr lesen

eSeL ist ein Informationsportal für Kunst und Kultur. Hier findest du empfohlene Veranstaltungen, Ausstellungen, Museen, Kinoprogramm, Theater, Performances und mehr in Wien und ganz Österreich. 

Newsletter und Social Media

Der eSeL Newsletter schickt dir jeden Donnerstag Insidertipps unserer Terminredaktion und fotografische Highlights aus dem Kunstbetrieb.

Fast geschafft!

Die Bestätigungsmail ist unterwegs. Du musst sie nur noch bestätigen.


A confirmation email has been sent. Please click the link to confirm your subscription. (Check your Spam/Junk folder!)

Woops!

Diese E-Mail-Adresse ist bereits abonniert. Eh super! / This address is already subscribed.

Hoppala.

Sie haben Ihre Mail-Adresse noch nicht bestätigt. / This Address is not yet confirmed.

Terminvorschlag

Partner*innen

Über uns

Projekte

Kontakt

Presse

rewind.esel.at (BETA) 

Datenschutz

Impressum

AGB