Seit tausenden von Jahren gilt Jerusalem zahlreichen Völkern als heilige Stadt. Alle drei abrahamitischen Weltreligionen – Judentum, Christentum und Islam – haben dort wichtige heilige Stätten. Der Überlieferung nach sei hier Gottes Heimstätte auf Erden. An dieser Stelle wurde Adam, der erste Mensch, erschaffen. Abraham kam hierher, um Isaak zu opfern; Jesus wurde hier gekreuzigt und Mohammed stieg von hier in den Himmel auf.
Jerusalem befindet sich in einer geostrategisch ungünstigen Lage, hat weder Zugang zum Wasser noch Bodenschätze. Dennoch sind bis heute mehr Kriege um diese als um jede andere Stadt geführt worden. Das mittelalterliche Europa sah in Jerusalem die „axis mundi“, das Zentrum des Universums. In mystischen Texten heißt es, der Himmel hänge hier tiefer als an anderen Orten. Auch religionsfern lebende Menschen berichten von einer veränderten Wahrnehmung in der Jerusalemer Altstadt. Doch was ist es, das diesem Ort eine derartige Macht verleiht, die sowohl aufbauend als auch zerstörerisch wirken kann?
Ronnie Niedermeyer lebte als Jugendlicher in Jerusalem und kehrte 2013 für zwei Monate in die heilige Stadt zurück, um sich diese Frage zu stellen. Er fotografierte religiöse Orte, Menschen und Rituale, aber auch säkulare Momente, in denen eine spirituelle Energie präsent schien. Damit ging er nicht nur einer anschaulichen und umfassenden Darstellung des geistlichen Lebens Jerusalems nach, sondern auch der Frage, was „Geist“ für die Menschen wirklich bedeutet. Zu diesem Zweck entstanden auch ausführliche Interviews mit Menschen, die eine breite Palette der Jerusalemer Bevölkerung abbilden.
1980 geboren, arbeitet Niedermeyer seit 2006 an einer Fotobuch-Trilogie über Zeit, Raum und Geist, die diese Konzepte an drei verschiedenen Städten in Bild und Wort erforscht. Der erste Band, „Zeit und Wien“, erschien 2008 im Christian Brandstätter Verlag. Mit „Leipzig: Räume zwischen Gestern und Morgen“ ist der zweite Teil druckfertig. Abschluss der Trilogie wird „Der Geist von Jerusalem“ sein. Die Bilder, die im Oktober 2014 in der Galerie West46 gezeigt werden, stellen eine kleine Vorschau aus diesem geplanten Fotobuch dar.
Zur Vernissage am Sonntag den 5. Oktober um 16:00 Uhr spricht DDDr. Peter Landesmann, Doktor der evangelischen und katholischen Theologie sowie der Judaistik.
Ein Zwiegespräch mit dem Rektor des österreichischen Pilgerhospiz in Jerusalem, MMag. Markus St. Bugnyar, findet am Donnerstag den 9. Oktober um 19:00 in der Galerie statt.