?Transit? ist gegenwärtig, im Herbst 2015, ein in Europa überwiegend positiv besetzter Begriff. Die hunderttausenden Schutzsuchenden, die als Flüchtlinge vor dem Krieg in Syrien und dem IS-Terror bis nach Europa gelangen, streben nach ?Transit?. Das ?Hindurchgehen?, das Durchqueren sicherer Staaten wie Österreich ist zwar immer noch mühsam, ?Transit? enthält jedoch mehr Hoffnung als Bedrohung.
Am 12. Mai 1942 wurde Ilse Pisk aufgrund ihrer jüdischen Herkunft aus Wien in das Transit-Ghetto Izbica, im Osten Polens deportiert. Das Durchgangslager Izbica war ein Transit-Ghetto für Deportationen in die NS-Vernichtungslager Belzec und Sobibor. ?Transit? war 1942 ein ?Hindurchgang? zum Tod, der völlige Verlust jeglicher Hoffnung, der Vorhof zur Ermordung.
Ilse Pisk (* 17. Februar 1898 im mährischen Mistek, heute Frýdek-Místek, Tschechien) war eine der frühesten Atelierfotografinnen im Wien der 1920er-Jahre. Aus ihrer Zusammenarbeit mit der Fotografin Trude Fleischmann entstanden bekannte Fotografien von Peter Altenberg und Adolf Loos. In den 1930er-Jahren betrieb sie ein Atelier an der Adresse Linke Wienzeile 48-52, 3. Stiege, unter ihrem und unter dem Namen ?Ilsebild?. Von der Adresse Stoß im Himmel 3, in der Wiener Innenstadt, wurde sie in das Transit-Ghetto Izbica deportiert. Die letzten dokumentierten Einträge über Ilse Pisk lauteten: ?Transport Nr. 20, Häftlingsnummer 1000?.
Bis zum heutigen Tag existiert in Wien keine Straße, die ihren Namen trägt. Hingegen ist nach Hubert Marischka heute noch ein Park in 1060 Wien benannt. Marischka war Schauspieler, Sänger, Regisseur, Theaterdirektor des Theaters an der Wien, Drehbuchautor, Mitglied der Reichsmusikkammer und anderer NSDAP-Vorfeldorganisationen. Er suchte mehrfach um NSDAP-Mitgliedschaft an, wurde jedoch als politisch unzuverlässig eingestuft und abgelehnt. Anstelle von Hubert Marischka sollte zukünftig in Wien-Mariahilf an Ilse Pisk erinnert werden.
Bis zu einem gewissen Grad hatten die Menschen in Wien auch in der NS-Diktatur die Wahl: Manche entschieden sich dafür, unter enormen Risiken für ihr eigenes Leben, jüdische Mitbürger zu verstecken und damit vor der Gestapo und SS zu retten. Viele andere, wie etwa Hubert Marischka, entschieden sich dafür, einen Antrag auf NSDAP-Mitgliedschaft zu stellen.
Die Kunst-Aktion des Gedenkens der Malerin Konstanze Sailer wird zum Gedenken an Ilse Pisk mit einer weiteren Ausstellung von Tuschen auf Papier in virtuellen Räumen eröffnet. Die Galerien befinden sich ausnahmslos in Straßen, Plätzen oder Orten Wiens, die es geben sollte: Solche mit Namen von Opfern der NS-Diktatur. Monat für Monat wird so das kollektive Gedächtnis erweitert. Monat für Monat werden damit Erinnerungslücken geschlossen.
Memory Gaps ::: Erinnerungslücken zeigen eine Auswahl aus tausenden Tuschen auf Papier aus zehn Jahren. Sie stellen Schreie und Aufschreie von Opfern dar. Zum schmerzerfüllten Aufschrei geöffnete Münder und Kiefer. Abstrakte Darstellungen von Schreien in Ghettos, Konzentrationslagern und NS-Tötungsanstalten – gemalte Erinnerungskultur. Seit drei Jahrzehnten arbeitet die aus Heidelberg stammende und in Wien lebende Künstlerin zu den Themen Antlitz, Schädel und Tod. Tusche auf Papier wurde als Technik gewählt, um der “Filigranität” jener ?Papierfetzen? nachzuempfinden, auf denen in Konzentrationslagern inhaftierte Künstler – zumeist im Geheimen – ihre Kunstwerke herstellten.