ETIKETT[E]
Bildende Kunst Zeitgenössische Kunst Eröffnung Gruppenausstellung
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Vernissage
11.01.2016, 19:00 Uhr
Finissage, Performance-Abend
15.01.2016
Raum 04
Hohenstaufengasse 9
1010 Wien
KünstlerInnen:
Anne Glassner
Kathrin Rhomberg
Laura Steiner
Kamen Stoyanov
Martin Veigl
Katrin Weidhofer
“ETIKETT[E]”
Das Umzugsvorhaben der Universität für angewandte Kunst als impulsgebendes Ereignis lieferte den Topos [= gr. Ort, Denk- und Ausdrucksschema] für die Gemeinschaftsausstellung “ETIKETT[E]”. Das erstmalige Bespielen des Raumes unter Einbeziehung der Öffentlichkeit ist der ausgewiesene Aktus des Umwidmens eines zuvor nicht zu Ausstellungszwecken genützten Raumes in einen Anziehungspunkt für Kunstgeschehen. Mit den vorgefundenen Gegebenheiten spielend, wie ringend, kristallisierte sich ein Nexus mit folgenden Zuweisungspunkten heraus:
Struktur und Reglement, Transport und Fragilität, Opazität, Wertegeflecht und Reputation, Störfaktoren, Hemmschwellen und Territorialität. Ebenso bildeten Fragen nach dem Verhältnis von Institution und Individuum, sowohl im, als auch außerhalb des Kunstbetriebs die Eckpfeiler des immanenten Denkgebäudes der Ausstellung. Mit dem Titel “ETIKETT[E]” sind zwei wesentliche Angelpunkte der konzeptuellen Ausrichtung der Arbeiten bereits benannt:
I. Das Etikett als Werkzeug der Bedeutungszuweisung und folglich als Identifikationshilfe von etwas oder jemandem. II. Die Etikette als Verhaltensregulativ, als vorgegebenes sittengesetzliches Reglement eines bestimmten sozialen Gefüges. Die gezeigten Arbeiten knüpfen direkt oder über sinnbildliche Metaebenen vermittelt an die Thematik “ETIKETT[E]” an und geben Einblick in mannigfaltige Zugangsweisen künstlerischer Denk- wie Umsetzungsprozesse, die in ihrer differierenden Ausformung immer schon geeint sind durch folgenden ursprünglichen Anreiz: Es ist die Auseinandersetzung mit institutionell, marktwirtschaftlich, wie sozial geschaffenen Spielregeln, welche sich auf das Individuum im Ordnungsprinzip des Raumes auswirken, der in verschiedene Räume und Orte künstlich zerstückelt wurde - man denke an die geopolitische Brisanz nationaler Grenzziehungen. Mit Etiketten versehene Objekte sollen den korrekten Transport von A nach B gewährleisten. Was bedeutet der Begriff “ETIKETT[E]” in Bezug auf das korrekt Transportierte?
Auf diese Frage geht Anne Glassner mit ihrer Arbeit ein, indem sie repräsentativ ein lebensgroßes Abbild ihrer eigenen Gestalt dem geregelten Ablauf des Umzugverfahrens überantwortete. Wie eine Spielfigur, mit der von einem Feld zum anderen gefahren wird, zeigt sie damit heteronome Tendenzen in Bezug auf bestehende Regelwerke auf. Die bedenkliche Thematik der Verobjektivierung des Subjekts in Zusammenhang mit dem Transport zwischen territorial gekennzeichneten Räumen wird hier aufgegriffen.
Das angebrachte Etikett ist der Garant für einen organisierten, geregelten Ablauf des Umzugs. Doch welche weitreichenden Implikationen enthält diese Setzung in Bezug auf geostrategische und ethnographische Problematiken? Was geschieht, wenn das Etikett das zu Transportierende erst definiert, bzw. ihm seinen Wert und seine Gültigkeit erst verleiht? Die Ausstellung eines Reisepasses einer Person muss in diesem Zusammenhang ebenso als Etikettierung und Kategorisierungshandlung im territorial geordneten Raumgefüge gesehen werden. Ohne diese Etikettierung wird der Transport de facto als ungeregelte Handlung und damit als gesetzeswidrig definiert.
In der diagrammatisch angelegten Arbeit von Laura Steiner werden vorgefundene Strukturen an den Wänden im Ausstellungsraum als Basis für einen thematischen Orientierungsplan genutzt, der die grundlegenden Problematiken nach Strukturfindung und -setzung, Raumordnung und Regelwerk schematisierend visualisiert. Gerade der enggeführte nominalistische Gebrauch von Symbolen und Begriffen in Zusammenhang mit dem Etikett kommt hier zur Sprache. Gemeint ist der anzweifelbare Einsatz von Begriffen als bloßes Etikettierungswerkzeug für die vermeintlich immer schon vorhandenen, im Raum gegebenen Entitäten.
Die Sprunghaftigkeit von Wertzuweisungen, ergo das partikulare Aufleuchten und Verschwinden von Geltung und Wert am Kunstmarkt zeigt Kamen Stoyanov mit seiner Arbeit auf. Die verschiedenen Kombinationen der oszillierenden Leuchtschrift als Metapher für das fragile Reputationsgeflecht von KünstlerInnen und Kunstwerken reflektiert jene wechselwirkende Dynamik von Bedeutungszuweisungen, die sich zwischen RezipientIn, KünstlerIn und Kunstwerk ergeben. Mit dem in Ansatz gebrachten Wortspiel wird verdeutlicht, dass die vorläufigen Resultate evaluierender Etikettierungsprozesse von kunstschaffenden Personen und deren Kunstwerken zeitlich bedingt und immer wieder neu kombinierbar sind.
Kathrin Rhomberg vertieft sich mit der gezeigten Arbeit in jene Umstände des Umzugs, die sich im künstlerischen Arbeitsprozess als Widerstände entlarven. Vom Zeitpunkt der Umsiedlung beeinträchtigt, versperrt es die klare Sicht auf die Leinwand, bzw. auf das zu schaffende Werk. Das schwebende Objekt mit dem gefilterten Blick thematisiert die Unschärfe, welche verursacht durch die Transportprozesse ein Stocken und Unterbrechen des künstlerischen Tuns verursacht.
Martin Veigl lenkt den Fokus auf etwas, das dem institutionellen Regelwerk nach noch nicht gezeigt werden darf. In einem Paket befinden sich wesentliche Bestandteile, der erst auszustellenden Diplomarbeit. In dreifacher Komplexität besticht die Arbeit nun durch das Aufzeigen dessen, dass das Gezeigte nicht gezeigt werden darf, wobei nichts gezeigt wird. Mit dem Zeigen der Arbeit wird die ausgewiesene dialektische Struktur des Verbots des Zeigens in Ansehung gebracht.
Katrin Weidhofer bündelt die Aufmerksamkeit mit ihrer Arbeit auf Schwellenphänomene, die uns im von Grenzziehungen geprägten Raumgefüge begegnen. Politisch, national, sozial, territorial usw. legitimierte Barrieren gliedern und zerstückeln einen Raum und machen ihn zu einem großen Nebeneinander von verschiedenen Räumen, welche sich durch Schranken, Schwellen und Schnittstellen auszeichnen und die Bewegungsfreiheit des, der Einzelnen immer schon regulieren. Die Frage lautet, inwiefern diese seit frühester Ontogenese eingeübten Strukturen von künstlich geschaffenen Raumordnungen dazu beitragen, Hürden selbst dort zu konstruieren, wo es eigentlich keine gibt.
Sind alle unüberwindbaren Grenzen tatsächlich von außen aufoktroyiert, oder handelt es sich in vielen Fällen um unreflektierte Setzungen des Individuums, das dem Regulativ der hierarchisch geformten Sozietät in solch ausgeprägter Form Folge leistet, dass es diesem Prinzip entsprechende Schablonen entwickelt und auf die Welt projiziert, wodurch mache Schwellen erst entstehen und unpassierbar werden?
Laura Steiner