Ein Mazzocchio – eine aus der Renaissance stammende, geometrische Form, ist der Ausgangspunkt für die neueste Werkserie von Roman Pfeffer. Der Mazzocchio besteht aus einem polygonen schwarzweißen oder mehrfarbigen Ring aus 16 Segmenten, der im Querschnitt ein Oktagon darstellt. Obwohl sich der Mazzocchio als moderner platonischer Körper durch einen hohen Abstraktionsgrad auszeichnet und sich deshalb als Ausgangspunkt für ein autonomes Kunstwerk hervorragend eignet, hatte er in der Renaissance auch einen Gebrauchswert und diente als Kopfbedeckung, die Paolo Uccello (1379-1475) in seinen perspektivischen Studien darzustellen versuchte. Mazzocchio-Formationen sind geometrisch-abstrakte Figuren, deren ausgewogene Maße in jenen Epochen Hochkonjunktur haben, die sich gerne mit Reinheitssymbolen umgeben und danach streben, eine ideale Ordnung in einer säkularisierten Welt zu symbolisieren, die nach logischen und wissenschaftlich quantifizierbaren Normen organisiert ist. Seine Faszination verdankt sich wohl der formalen Perfektion, aber auch jener Besonderheit, die den scheinbar inhärenten Widerspruch einer gleichermaßen ringförmigen und polygonalen Gestalt synthetisch vereint. Roman Pfeffer, der mit seinen schalkhaften Gedankenspielen häufig aus der Reihe tanzt, bezieht sich gerne auf tradierte Formen, um intervenierend und dekonstruierend einzugreifen. Vor dem Hintergrund der Maxime ?Das Absolute macht mir eher Angst? kommt er nicht umhin, meisterschaftlicher Vollkommenheit etwas entgegenzusetzen, bestehende Ordnungen zu hinterfragen und die platonische Darstellung der Schönheit zu problematisieren. Denn man könnte behaupten, dass im Kern des Werkes von Pfeffer die Umordnung stehe. In “Mazzocchio twisted I-XI” (2013-2015) entwindet Pfeffer den althergebrachten Mazzocchio-Ring entlang der bestehenden Achsen zu einem geöffneten Körper, ent-dreht ihn zu einem schlangenförmigen Gebilde, arrangiert ihn unter Beibehaltung der Teilelemente zu einer geradlinigen Stange oder tauscht ein Holz-Segment gegen eines aus schwarzem Leder, um auch der Gleichförmigkeit des Materials etwas entgegenzusetzen. Pfeffers Mazzocchios, die es in verschiedenen Formaten und unterschiedlichen Materialien gibt, sind in Ausstellungspräsentationen äußerst disponibel – sie ruhen auf Podesten, lehnen an der Wand oder werden im Raum verteilt ?, ihren richtigen Platz finden sie im Dialog mit dem Ort.
Doch der konzeptuelle Denker Roman Pfeffer hört nicht an dieser Stelle auf, sondern führt seine Ideen mit großer Konsequenz an ihr logisches Ende: Die Fotografie “Mazzocchio re-translated” (2015) zeigt eine seiner Mazzocchio-Skulpturen, wobei der Blickwinkel der Kamera so gewählt wurde, dass die skulpturale Öffnung im zweidimensionalen Bild geschlossen erscheint.
Kuratiert von Angela Stief