Kunstinitiative ?Memory Gaps ::: Erinnerungslücken? von Konstanze Sailer gedenkt NS-Opfern mit Ausstellungen in Wiener Straßen, die es geben sollte.
Totalitäre Regime und kritisches Kabarett waren und sind inkompatibel, da sie stets entgegengesetzte gesellschaftspolitische Positionen bezogen. Vonseiten der NSDAP wurden kritische Kabarettisten verfolgt, sie erhielten Auftrittsverbote und wurden sogar oftmals systematisch durch ?volksdeutsches? Kabarett ersetzt. Zahlreiche deutsche Vertreter der Kleinkunst flüchteten in die Schweiz, nach Skandinavien, Frankreich und in die USA. Viele wurden inhaftiert, in Konzentrationslagern interniert und ermordet, wie etwa der Berliner Kabarettist Max Ehrlich.
Peter Hammerschlag (* 27. Juni 1902 in Wien-Alsergrund; – 1942 im Konzentrationslager Auschwitz) war ein österreichischer Dichter, Schriftsteller, Kabarettist und Grafiker. Ab 1931 war er an mehreren legendären Wiener Kleinkunst-Bühnen als Autor und Darsteller tätig. Bei seiner Flucht vor den Nationalsozialisten wurde er 1939 in Jugoslawien verhaftet und zunächst zur Zwangsarbeit verurteilt. Danach gelang es ihm, bis in den Sommer 1942 als U-Boot in Wien bei seinem Freund A. Steinbrecher zu überdauern. Nach seiner Verhaftung wurde Peter Hammerschlag am 17. Juli 1942 über Theresienstadt in das KZ Auschwitz deportiert und dort ermordet. Sein genaues Todesdatum im Jahre 1942 ist nicht bekannt.
Bis zum heutigen Tag existiert in Wien keine Straße, die seinen Namen trägt. Hingegen ist nach Hanns Saßmann seit 1958 nach wie vor eine Gasse in Wien-Favoriten benannt. Saßmann war Schriftsteller, Theater- und Literaturkritiker sowie Drehbuchautor, seit 1936 Mitglied der Reichsschrifttumskammer, förderndes Mitglied der SS und seit 1938 NSDAP-Mitglied. Anstelle von Hanns Saßmann sollte künftig in Wien-Favoriten an Peter Hammerschlag erinnert werden.
Die Kunstinitiative der Malerin Konstanze Sailer wird mit einer weiteren Ausstellung von Tuschen auf Papier in virtuellen Räumen eröffnet. Die Galerien befinden sich ausnahmslos in Straßen oder an Plätzen, die es nicht gibt, die es jedoch geben sollte: Solche mit Namen von Opfern der NS-Diktatur. Monat für Monat wird so das kollektive Gedächtnis erweitert. Monat für Monat werden damit Erinnerungslücken geschlossen.
Memory Gaps ::: Erinnerungslücken zeigen eine Auswahl aus tausenden Tuschen auf Papier aus zehn Jahren. Sie stellen Schreie und Aufschreie von Opfern dar. Zum schmerzerfüllten Aufschrei geöffnete Münder und Kiefer. Abstrakte Darstellungen von Schreien in Ghettos, Konzentrationslagern und NS-Tötungsanstalten – gemalte Erinnerungskultur. Seit drei Jahrzehnten arbeitet die aus Heidelberg stammende und in Wien lebende Künstlerin zu den Themen Antlitz, Schädel und Tod. Tusche auf Papier wurde als Technik gewählt, um der “Filigranität” jener ?Papierfetzen? nachzuempfinden, auf denen in Konzentrationslagern inhaftierte Künstler – zumeist im Geheimen – ihre Kunstwerke herstellten.