Exkursion: Geometrien des Lebens
Urbanismus Architektur Exkursion Führung
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Exkursion
14:00 Uhr
Jubiläumsvisite Gerasdorfer Straße 61
Treffpunkt: Vorplatz Gerasdorferstr. 61, 1210 Wien
Die Wohnhausanlage ist ein typologischer Meilenstein in der Entwicklung des Wiener Wohnbaus. Die Organisations- und Raumformen der selbstorganisierten Siedlerbewegung und der zentral organisierten Gemeindebau-Wohnanlagen des Roten Wiens verbindend, wurde eine der Gartenstadt verpflichtete Wohnanlage mit 380 Wohnungen, überwiegend für Familien mit Kindern, genossenschaftlich am Stadtrand von Wien geschaffen. Hohe Wohnzufriedenheit und außerordentlich geringe Fluktuation der Bewohnerschaft zeugen vom hohen Wohnwert der beispielgebenden Anlage.
30 Jahre später gerät diese Qualität mehrfach unter Druck. Nach der Ausfinanzierung des genossenschaftlichen Projekts lässt ein umsichtiges mit der Nutzerschaft abgestimmtes Sanierungs- und Restrukturierungsprogramm auf sich warten. Eine beabsichtigte Nachverdichtung brachte den Vorplatz des räumlichen Ensembles und urbanen Taktgeber an der Gerasdorfer Straße in Gefahr.
Aktuell kommt einiges in Bewegung. Die Gebäudeerhalterin erkennt die Verantwortung von gemeinschaftlichen Einrichtungen beim Ausbau des Wohnquartiers Gerasdorfer Straße zur Steigerung des öffentlichen Lebens an der Peripherie von Wien. Der umkämpfte, lang leer stehende und vom Abbruch bedrohte Pavillon der einstigen SPAR-Kette soll nun gemeinschaftlich kulturell genutzt werden. Die dafür notwendigen Bedingungen sind zwischen Politik, Anlagenerhalterin, Bewohnerschaft und der Community des Quartiers noch im Detail zu verhandeln.
Ein Präzedenzfall für den niederschwelligen Umgang mit Lebensraum an der Stadtperipherie und zugleich am Brennpunkt der Metropolregion Wien, über Landesgrenzen hinweg. Frau Tupy als langjährige Bewohnerin und Johannes Zeininger von Bauten in Not führen durch die Anlage und werden dabei versuchen, dem Spirit des Sozialen Wohnbaus der 70er und 80er Jahre aufzuspüren und eine Peilung ins 21. Jahrhundert vorzunehmen. Text: Johannes Zeininger
Johannes Zeininger, Architekt
Bürogründung 1991 in Wien. Atelier mit Architektin Dipl.Ing Angelika Zeininger gemeinsam unter zeininger architekten. Das Thema „Weiterbauen an der Stadt“ sowie der Komplex „Hinzufügen“ in Theorie und Praxis sind Schwerpunkt unserer Arbeit.
Gabriele Tupy
ist Inhaberin einer Kommunikationsagentur. Sie konzipiert, textet und gestaltet Zeitschriften, Kongress-Magazine, Nachhaltigkeitsberichte, Bücher, Newsletter mit einer Spezialisierung auf den Altenpflegebereich. Als gesellschaftspolitischer Mensch engagierte sich viele Jahre in der Bezirkspolitik sowie als Bewohnerin der ersten Stunde und Delegierte in diversen Arbeitsgruppen in der Viktor-Hufnagl-Wohnhausanlage in der Gerasdorfer Straße 61 in Wien Floridsdorf: Spielplatzgestaltung, Anlagenfeste, Buchausstellungen, Bewohner:innen-Befragungen, Konzepterstellung Gemeinschaftsräume, Konzepterstellung Erhalt und Umgestaltung der ehemaligen Ladenzeile auf dem Vorplatz in ein Grätzl-Kulturzentrum und Gründung eines Kulturvereines.
Moderation: Gabriele Ruff / ÖGFA
Exkursion
15:30 Uhr
40 Jahre Wohnqualität
Brünner Straße: das Städtebaumuseum des 20. Jahrhunderts
Treffpunkt: Vorplatz Gerasdorferstr. 61, 1210 Wien
Entlang der Brünner Straße ist seit den 1920er Jahren in jedem Jahrzehnt mindestens eine Großwohnanlage oder ein großes Siedlungsprojekt entstanden. Dabei haben sich die jeweils neuesten Projekte fast immer am jeweiligen Stadtrand auf der bis dahin landwirtschaftlich genutzten sprichwörtlichen grünen Wiese entwickelt. Man könnte die Brünner Straße also als eine Art Städtebaumuseum des 20. Jahrhunderts betrachten. Wenn man von der Alten Donau aus stadtauswärts geht, sieht man alle wesentlichen Stadt- und Wohnbauideologien in chronologischer Reihenfolge, vom Paul-Speiser-Hof und dem Schlingerhof der 1920er Jahre bis zu den Bauten am Marchfeldkanal in den 1990ern. Diese Entwicklungen koexistieren mit teilweise großflächigen Kleingartensiedlungen, den Nachfolgern der Siedlerbewegung die in den 1920er Jahren, oft in Eigeninitiative Wohnraum geschaffen hat. Die Wohnungsanlagen überlagern und verdrängen diese Kleingartenstrukturen aber auch, ebenso wie alte Industrie- und Gewerbeareale und Bahnanlagen des Industriestandortes Floridsdorf. Dabei ist ein Stadtraum entstanden, dem es oft an urbanen und ruralen Qualitäten gleichermaßen fehlt, der weder Stadt noch Land ist – und auch nicht (mehr) die Vorstadt, die man noch aus den gründerzeitlichen Gebieten außerhalb des cisdanubischen Gürtels kennt.
Auch die von Viktor Hufnagl 1973 bis 1979 geplante und in den 1980er Jahren errichtete Wohnhausanlage Gerasdorfer Straße und der unmittelbar benachbarte Ernst-Theumer-Hof sind auf und neben Feldern errichtet worden und fügen sich in diesen Prozess der nach außen wachsende Randstadt.
Wir erkunden in einem Spaziergang zur Brünner Straße den Ernst-Theumer-Hof, die Wohnbebauung der 1990er Jahre Richtung Marchfeldkanal, den historischen Ortskern von Großjedlersdorf – und den Heinz-Nittel-Hof aus den 1980ern. Je nach den noch vorhandenen Kräften und Interesse sind Abstecher zum Dr. Franz-Koch-Hof (aka klein.Chicago) und in die Siedlung Siemensstraße aus den 1950er Jahren möglich. Text: Ursula Hofbauer
Es führt: Ursula Hofbauer
Architektin und DINGenieurin, lebt und arbeitet in Wien, im 21. Jahrhundert und im 21. Bezirk. Arbeitet seit 1999 in und mit dem öffentlichen Raum, u.a. „Strange Views“ (1999), Ausstellungsprojekt im Wiener Prater mit Bodenbeschriftung, „Permanent Breakfast“ (1999-2005) das immerwährende Frühstück im öffentlichen Raum und „Jane’s Walks“ (2016 und 2017) entlang der Brünner Straße, Spaziergänge im Rahmen des Community College der Kunsthalle Wien und Jane’s Walks in der Siedlung Siemensstraße (2017, 2019, 2022) und in der Großfeldsiedlung (2020, 2022) . Widmet sich leidenschaftlich dem öffentlichen Raum, seiner demokratischen Nutzung und allen Fragen der daraus resultierenden Gestaltung, insbesondere in der städtischen Peripherie.
Programm und Moderation: Gabriele Ruff / ÖGFA