Schonungslos
Der (weibliche) Körper als Gegenstand gesellschaftlicher und kultureller Einschreibungen steht im Zentrum des Programms, das die ZuschauerInnen nicht nur mit den physischen und psychischen Schmerzen der Performerinnen konfrontiert, sondern auch die Befragung der eigenen sadistisch-voyeuristischen Schaulust in den Mittelpunkt rückt. Den Auftakt bilden die Arbeiten von drei Künstlerinnen, die die Grenzen der physischen Belastbarkeit unter Einsatz ihrer nackten Körper erproben. In Underwater setzt sich Anja Czioska in ihrer eigenen Badewanne einer Belastungsprobe aus, während VALIE EXPORT in ihrer berühmten Arbeit Hyperbulie einen Korridor aus elektronisch geladenen Drähten zu überwinden versucht, um die gesellschaftlichen Disziplinierungsmaßnahmen des Körpers zu exemplifizieren. Ähnlich beunruhigende Bilder liefert auch die israelische Künstlerin Sigalit Landau, auf deren Körper in Barbed Hula ein Hulahup-Reifen aus Stacheldrahtzaun gut sichtbare politische Spuren hinterlässt, oder auch Ana Mendieta, die in Untitled (Blood Sign #2 / Body Tracks) mit blutigen Händen ein symbolisch aufgeladenes, machtvolles Bild entwirft.
Anja Czioska
Underwater F/D1994, 3 min
VALIE EXPORT
Hyperbulie A 1973, 7 min
Sigalit Landau
Barbed Hula IL 2000, 2 min
Ana Mendieta
Untitled (Blood Sign #2 / Body Tracks) CU / USA, 1974, 1 min
Marina Abramovic /Ulay
AAA-AAA YU 1978, 10 min
Roberta Lima
6teen Stitches A / BRA 2008, 12 min
Viktoria Tremmel
Allerleirauh A 2007, 13 min
Hester Scheurwater
Heal Me NL 2000, 4 min
Anne Charlotte Robertson
Apologies US 1983-1990, 17 min
Let´s play (and work)
,,I consider laughter preferable to tears” - so kommentierte John Cage die Frage des TV-Moderators, der in der Einführung zur Performance Water Walk von ihm wissen wollte, wie er damit umgeht, wenn das Publikum während seiner avantgardistischen musikalischen Darbietung lacht. Gleich zu Beginn seines Auftrittes wird Cage als kontroversiell diskutierter Künstler mit Hang zum Freakigen präsentiert, weil er für seine musikalischen Kompositionen vollkommen unkonventionelle Mittel verwendet. Als die Liste der ,,Instrumente” über den Bildschirm läuft, bricht das Publikum erwartungsgemäß in Gelächter aus: ein Kochtopf, eine Weinflasche, ein Mixer, Eiswürfel oder auch fünf Radios, die er in seine extrem charmante Musik-Performance unplugged integriert. John Cage lacht mit dem Publikum mit und hat mit der alternativen Verwendung von Alltagsgegenständen nicht nur dieses beeindruckt, sondern auch Martha Rosler zu einem zentralen Werk der feministischen Videokunst inspiriert: In ihre berühmten Arbeit Semiotics of the Kitchen bringt auch sie die BetrachterInnen zum Lachen, wenn sie Küchengeräten durch verschiedene Gesten emanzipatorische Qualitäten entlockt. Laurie Anderson verwendet in Songs for Lines / Songs for Waves zwar keine Küchengeräte; die Instrumente, mit denen sie die insgesamt zehn Songs performt, sind aber nicht weniger experimentell: So bedient sie sich in dem Song ,,a man, a woman, a house and a tree” einer eigens entwickelten Technologie, um Bilder zu rhythmisieren, oder sie führt ihre ,,Tape Bow Violin” vor, die anstelle von Rosshaaren ein Kassettentape eingespannt hat. Ähnlich wie Anderson, die sich zudem ihrer Stimme bedient und auf der Bühne laufend mit den unterschiedlichsten Medien, Gegenständen und Projektionen interagiert, arbeitet auch Sabine Marte, die die BetrachterInnen ihres Videos Ich arbeite ebenfalls in gleichermaßen (medien-)reflexive, humorvolle und poetische Welten entführt. (Christa Benzer)
John Cage
Water Walk USA 1960, 10 min
Martha Rosler
Semiotics of the Kitchen USA 1975, 6 min
Laurie Anderson
Songs For Lines / Songs For Waves USA1977, 39 min
Sabine Marte
Ich arbeite A 1996-1998, 20 min