Reportagen - Gestern & Heute
mit Beppo Beyerl und Traude Korosa
Literatur am Naschmarkt
Textstand - Literatur am Naschmarkt am 8. 11. 2010, 19 Uhr, Pineapple, Stand 87
Eintritt frei
So jung die Reportage als literarische Gattung auch ist, so unmittelbar, kritisch und modern setzt sie sich mit unserem Dasein auseinander. Sie hängt am Puls der Zeit, beobachtet und beschreibt, nimmt Partei und Anteil, klärt auf und fördert Bewusstsein.
Der 1870 im ungarischen Tarnok geborene und 1873 nach Wien gekommene Max Winter gilt heute als Pionier und Meister der Sozialreportage. Nach dem Studium journalistisch tätig, holte ihn Victor Adler 1895 zur Arbeiter-Zeitung. Als Obdachloser verkleidet, ließ Winter sich von der Polizei verhaften, arbeitete als Statist bei der Hofoper, war Kulissenschieber im Burgtheater, interviewte die mährisch-schlesischen Weber und die böhmischen Fabrikarbeiter, beteiligte sich aktiv als Hopfenpflücker, um vom mühseligen Leben der Arbeiter und Arbeiterinnen und deren Lebensumständen zu erfahren. Er verfasste über 1500 Reportagen, akribisch recherchiert, mit wissenschaftlichem Material, Statistiken, Akten oder auch Archivmaterial versehen. Seine Stadt - Wien - hat Winter, der 1937 verarmt und einsam in Hollywood verstarb, gekannt wie kein anderer. Historiker bezeichnen Winters Sozialreportagen heute als Vorläufer der modernen Alltagsgeschichtsforschung. Traude Korosa liest aus bekannten und unbekannten Reportagen Max Winters.