Spurensuche an einem vergessenen Ort
Ein Abend in der ehemaligen Synagoge Kaschlgasse
9. November 2010
Ein unwirtlicher Ort: Nunmehr leer, treten lange verschüttete Schichten wieder hervor. Das Parteilokal lässt sich nur mehr erahnen, vom Tanzsaal blieb die monumentale Schank, der Supermarkt zerriss dieursprüngliche Anordnung der Räume, hinterließ einen Geruch von Fleisch, verstaubte Heizgebläse und Sicherungskästen. Nicht Brauchbares wurde abgemauert, tote Räume entstanden. Allein Spuren anden Wänden, Fehlstellen in der provisorischen Decke, alte Stiegengeländer und Schwingtüren erzählen von der tiefsten, der ursprünglichen Schicht.
600 Plätze fasste die 1932 eingeweihte Synagoge des galizische Bethaus- und Unterstützungsvereins »Bene Berith«. In ein Wohnhaus integriert, entging der im Novemberpogrom verwüstete Bau damals seiner vollkommenen Zerstörung. Dennoch wird die Auslöschung augenscheinlich: Weniger als ein Jahrhundert danach bedarf es archäologischer Methoden und komplexer Simulationen, um den ehemaligen Sakralbau zu erkennen.
Der Abend öffnet für kurze Zeit die vergessenen Räume, legt Spuren frei und lässt Bilder der ursprünglichen Gestalt entstehen, zeigt die Möglichkeiten und Grenzen einer über das virtuelle hinausweisenden Rekonstruktion. Es bleibt ein unwirtlicher Ort.
Programm
18:30 Novemberpogrom in Wien
Markus Kupferblum liest aus den Brandbüchern der Wiener Feuerwehr und aus Augenzeugenberichten
19:00 Jüdische Brigittenau
Eleonore Lappin im Gespräch mit Kurt Rosenkranz und Vladimir Vertlib
20:00 Grabungsort Kaschlgasse
Bob Martens und Herbert Peter über die Wiederentdeckung und Möglichkeiten der Rekonstruktion
21:00 Spuren des Sakralen
Felicitas Heimann-Jelinek führt durch die ehemalige Synagoge