Der Themenkreis „Wandern“ ist in den letzten Jahren ein zentrales Element meines künstlerischen Schaffens geworden. Ausschlaggebend dafür waren meine Erfahrungen die ich zusammen mit meinem Bruder auf den knapp 900 km langen Fußmarsch in die im Nordwesten Spaniens gelegene Stadt Santiago de Compostela im Sommer 2007 gemacht hatte. Dass sich meine im Jahr darauf entstandene Diplomarbeit dem Einfluss der auf dem Jakobsweg erlebten Eindrücke nicht entziehen konnte und das Pilgern zum zentralen Thema meiner Bilder avancierte, zeigte sich 2008 in meiner Diplomarbeit mit dem Titel „Wanderlust“.
Der Wunsch die Ferne wieder per Fuß zu erschließen und dem Alltag auf ein Neues den Rücken zu kehren, ließ mich 2009 ein weiteres Mal zum Pilger werden. Diesmal führte der Weg nach Rom. Ausgehend von Lausanne in der Schweiz, gelegen am Genfer See, legte ich wieder in Begleitung meines Bruders insgesamt knapp 1.100 km zu Fuß zurück und erreichte nach fünf Wochen schließlich Rom.
Dem Abenteuer der sog. „via francigena“ ist auch der darauf in Anschluss entstandene Bilderzyklus „unterwegs“ gewidmet, der auf der einen Seite die Schönheit des Wanderns, Ferne und Fremde offenbart und andererseits die Entbehrungen, die man auf einer solchen Reise machen muss, ins Bild rückt. Die Schönheit des Wanderns offenbart sich im ständigen Nach-vorne-Blicken. Keine Verpflichtungen halten zurück, beschäftigen den Geist – die Aufmerksamkeit gilt dem Hier und Jetzt, immer dem nächsten Schritt. Die Fremde wird zur Gewohnheit, das Fremdsein ist nicht belastend, sondern eine faszinierende Lebensweise. Ebenso werden Begegnungen in der Fremde möglich, die es in der eigenen Heimat so nicht geben kann.
Wandern bedeutet auch permanente Veränderung. Materielle Güter verlieren an Wichtigkeit, Momentaufnahmen und Erinnerungen gewinnen hingegen an Bedeutung. Die Wanderlust lässt uns das geregelte Leben als eine Art Käfig sehen, in dem wir tagtäglich gefangen sind. Die Einfachheit des Wanderlebens ist bestechend schön und verleitet zum Tagträumen. Für den, der diese Sehnsucht nach Natur und Ferne verinnerlicht, wird sie zu einer Lebenseinstellung, zu einem bewussten Ablehnen der Abhängigkeit von materiellen Dingen. Es entsteht ein konkretes Verlangen sich die Welt Schritt für Schritt selbst zu erobern anstatt sich von bestehenden Meinungen zu nähren und vorgefertigte Bilder zu übernehmen. Die Wanderschaft im eigentlichen Sinne findet kein Ende, wird zur Sehnsucht - das Sehnen wird zur Sucht, zur Sucht etwas zu „sehn“. Die Dinge werden nun anders wahrgenommen, erhalten neue Werte, die Hektik weicht einer gemächlichen Gelassenheit, die uns neue Perspektiven verschafft und uns vor allem fremde Länder, deren Sitten und Landschaft mit anderen Augen sehen lässt.
Daneben präsentieren sich meine Arbeiten als einzelne Episoden eines fiktiven Reiseberichtes: Die Bilder sind demzufolge sowohl Momentaufnahmen eines einzelnen Tagesmarsches, einzelne Ausschnitte einer längeren Reise, als auch unabhängig voneinander erzählte Geschichten, die durch ihre Thematik in Verbindung stehen. Somit kann sich der Betrachter durch meine Vorgaben einen ganz individuellen Reisebericht zusammenstellen. Meine Erzählungen erhalten dadurch eine besondere Dynamik und Interpretationsmöglichkeit und sollen dem Betrachter als Ansporn dienen, die eigene Wanderlust zu wecken und in meine Bildwerke quasi hinein zu spazieren.