Wandzeitung N°6 Harald Gsaller: Epiktet in China
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WANDZEITUNG N°6
Harald Gsaller: Epiktet in China
Epiktet (*55), der Stoiker und Philosoph im Schwellenbereich zwischen Spätantike und Frühmittelalter, gerät auf seiner Suche nach dem richtigen Leben unversehens ins heutige Shanghai. Um sich im hektischen Treiben besser orientieren zu können, beschafft er sich zwei englischsprachige Tageszeitungen, die er von der ersten bis zur letzten Zeile liest und punktuell kommentiert… – Das ist der Ausgangspunkt der kommenden Wandzeitung, die diesmal ins Kernland des Mediums, nach China führt.
Epiktets Shanghai-Eindrücke gerinnen dabei zu mosaikartigen Sinngebilden, so genannten Emblemen. Das Emblem als Kunstform geht auf die Renaissance zurück und setzt sich aus drei Modulen zusammen: aus Titel (inscriptio), Bild (pictura) und Auslegung (subscriptio). Im Zusammenwirken dieser drei Grundelemente mit den Räumen, die sich dazwischen auftun, enthüllen sich überraschende Botschaften.
Die Kraft des Emblems liegt in seiner charakteristischen Vielstimmigkeit: Es ist ein zugleich offenes und formal geschlossenes Ganzes; es lässt sich mit einem Blick erfassen und erweist sich trotzdem als unendlich vielschichtig; es ist eine Miniatur, in der ganze Welten Platz finden. Und auch wenn es sich primär an den Gesichtsinn wendet, zuletzt überzeugt es doch durch die klanglichen Qualitäten, die es in sich birgt.
Der Wiener Künstler und Autor Harald Gsaller (*1960) hat das Emblem zu einer polyphonen literarischen Gattung weiterentwickelt. Unter seinem Zugriff mutiert es zum transkulturellen Verkehrsmittel: griechische Antike, Daoismus, Frührenaissance und heutiges China treffen sich zum zwanglosen Austausch an der Ecke Glockengasse, Rotensterngasse im zweiten Wiener Gemeindebezirk.
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Zur Eröffnung am Freitag, 16. September 2011 um 19.00 Uhr geht der Wiener Tongelehrte und Polyphonie-Experte Hannes Krisper (*1967) den klanglichen Wurzeln des Emblems auf den Grund. Im Rahmen seiner musikalischen Spiegelung werden Werke zweier Komponisten zu hören sein, die den interkulturellen Austausch zwischen China und Europa auf musikalischer Ebene in Gang gesetzt haben: Teodorico Pedrini (*1671) und Joseph-Marie Amiot (*1718).
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Die Wandzeitung ist ein Projekt von Bernhard Kellner und Steinbrener/Dempf.