Programm
Begrüßung
Suzie Wong, Öffentlichkeitsarbeit der Wienbibliothek
Über das Buch
Oliver Rathkolb, Institutsvorstand Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien
Über Berthold Viertel und Karl Kraus
Katharina Prager, Autorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Geschichte und Theorie der Biographie an der Wienbibliothek im Rathaus
Lesung aus Texten Berthold Viertels
Alexander Waechter, Schauspieler, Regisseur und Intendant
Im Gespräch
Wolfgang Glück, Regisseur, mit Oliver Rathkolb und Katharina Prager
Anschließend Brot & Wein
Zum Buch
?Der in Wien heranwachsende Knabe wird in den Erlebnissen geschildert, die seinen Charakter und seine Weltanschauung bilden. Die Schilderung ist nicht sentimental, das Soziale und Politische spielt überall hinein, die Entwicklungslinie wird aufgezeigt, die, über das Individuelle hinaus, erst heute ganz gesehen und verstanden werden kann, die in der heutigen Wiener- und Welt-Situation mündet und dadurch jetzt wieder eine aktuelle erregende Bedeutung hat.” - Berthold Viertel
1918 verließ der Schriftsteller und Regisseur Berthold Viertel (1885?1953) Wien – jene Stadt, deren moderne Ideen und Kreise ihn um die Jahrhundertwende geformt hatten. Mit 33 Jahren und nach den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs wollte er endlich die enge Wiener Szene hinter sich lassen, um im geräumigeren Deutschland Karriere zu machen. Die Erinnerung an die hellen und dunklen Seiten der Wiener Modernität sollte ihn allerdings ein Leben lang und durch die folgenden zeithistorischen Brüche und Katastrophen begleiten. Immer wieder versuchte er in den folgenden Jahrzehnten in einem – letztlich unvollendet bleibenden – autobiografischen Projekt, Bezüge herzustellen, Verbindungen aufzuzeigen und Erklärungen zu finden für die historischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Österreich und Europa, wie auch für die politisch-ideologischen Konflikte der Zeit.
1928, als Berthold Viertel als Filmregisseur nach Hollywood ging, 1938, als Österreich ihm für immer verloren schien und er zum Exilanten wurde, wie auch 1948, als er nach Wien zurückkehrte, um dort in seinen letzten fünf Lebensjahren am Burgtheater zu inszenieren, stellen wichtige Zäsuren dieser autobiografischen Arbeit dar.
Katharina Pragers Buch beschreibt in einem ersten Teil Viertels Erinnerungsarbeit außerhalb Österreichs und bündelt in einem zweiten Teil 15 Erinnerungsorte, die zum einen das politisch-ideologische Spektrum vom allumfassenden “monarchischen Gefühl” über die sozialdemokratische “Familie Adler” im christlich-sozialen “Wien Luegers” bis hin zum “Mitschüler Hitler”, den Viertel als Typus auftauchen sieht, umfassen. Zum anderen geht es um die Spannungsfelder, denen “jüdisches” Wiener Kind, großgezogen von “katholischen Dienstmädchen” und geprägt von “deutscher Kultur” ausgesetzt ist. Des Weiteren bündeln sich Erinnerungen um Viertels Selbstverortung als “jugendlicher Kulturanarchist” offen für “Theater”, diverse “Studien” und “sexuelle Emancipation”.
Eine wichtige Figur und zugleich ein zentraler Erinnerungsort des modernen Wien ist nicht zuletzt der Kulturkritiker und Satiriker Karl Kraus, mit dem Berthold Viertel ab etwa 1905 über 30 Jahre eine enge, aber auch widersprüchliche Freundschaft verband. Zahlreiche Briefe Viertels an Kraus werden in der Wienbibliothek im Rathaus aufbewahrt und speziell diese spannende und spannungsreiche Freundschaft soll im Fokus der Veranstaltung stehen und einen neuen Blick auf Berthold Viertel, Karl Kraus und ihre Kreise bieten, denn wie Viertel selbst erkannte: “[…] von diesem Karl aß man nicht ungestraft.”