15. - 16. Dezamber 2014
15.12. 2014, Beginn 13.00 Uhr
Musiksammlung der Wienbibliothek, Loos-Räume, Bartensteingasse 9, 1. Stock, 1010 Wien
16.12. 2014, Beginn 10.00
Hauptuniversität Wien, Marietta Blau Saal, 1010 Wien
„Sie verehren die Tradition. […] Sie möchten das alte Werk der Vorfahren für ihre neuen Zeiten richten. Sie möchten es auf die letzte Stunde bringen. Sie wollen, wie jene, österreichisch sein, aber österreichisch von 1890“, so Hermann Bahr in seinem programmatischen Aufsatz Das junge Österreich, in dem er die Literaten des ‚Aufbruchs‘ in die Wiener Moderne (Rieckmann) als Gegenbild zum traditionskritischen, revolutionären „jüngsten Deutschland“ zu positionieren und ihre spezifische Qualität in der Verbundenheit mit der Tradition zu fassen sucht. Sie hätten eine Erneuerung im Lichte der Tradition im Sinn, und so heißt es bei Bahr, dem „Mann von Übermorgen“ (Maximilian Harden), in seinem retrospektiven Selbstbildnis nicht zufällig: „Mein Zukunft mit Ungeduld verlangender Blick kehrt seit je doch am liebsten bei längst entschwundenen Vergangenheiten ein, da hole ich mir die Zukunft.“ Literarische Produktion als selektive Mnemotechnik (Le Rider), durch die das Neue, Originäre erst in der produktiven Wieder-Holung hervorgebracht wird. Das Vergangene wird so auch als etwas vertrautes Fremdes im Archiv der Zeit bewahrt (Niefanger). In Hofmannsthals Vorstellung von der Antike als einem „magischen Spiegel“, „aus dem wir unsere eigene Gestalt in fremder, gereinigter Erscheinung zu empfangen hoffen“, wie er im Buch der Freunde formuliert, scheint dies anschaulich dokumentiert. Ein vertrautes Fremdes, das Sicherheit gibt in der unvertrauten Moderne, einer Welt, in der „alle Sicherheit und Herrschaft über das Leben rätselhaft vermindert“ ist, wie Hofmannsthal im D’Annunzio-Essay schreibt, „bei immerwährendem Anwachsen des Problematischen und Inkommensurablen“. Eine Diagnose, die heute noch und heute wieder Gültigkeit beanstanden kann.
In der geschichtlichen Rückwendung, dem historistischen Zugriff auf das grenzenlose Zeichenmaterial der Vergangenheit, scheint sich indes auch ein eklatanter Mangel an Eigenem zu offenbaren. In „Erfüllung seiner Traditionspflicht“ habe Wien, wie Hermann Broch in Hofmannsthal und seine Zeit schreibt, „Museumshaftigkeit mit Kultur“ verwechselt. Dieses „österreichische Verfallszeichen“ (Broch) wirke, so Richard Schaukal, bis in die Wiener Wohnung hinein, deren Ausgestaltung eine „Mixtum-Kompositum aus den Exkrementen einer mit unverdauter ‚Historie‘ überfütterten ‚Dessin‘speicherphantasie“ sei, wie es in seinen Bemerkungen zur ästhetischen Wohnungsnot heißt. Eine „unverdaute“ Historie, die das Leben der bildungsaffinen Literaten der Wiener Moderne überformt und überfordert – „fremde Gedanken denken in einem, alte, tote, künstliche Stimmungen leben in einem, man sieht die Dinge wie durch einen Schleier, wie fremd und ausgeschlossen geht man im Leben herum“, so Hofmannstal in einem Brief an Edgar Karg von Bebenburg.
Die Konferenz „Tradition in der Moderne“, die vom Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Theorie der Biographie in Kooperation mit dem Institut für Europäische und Vergleichende Sprach- und Literaturwissenschaft der Universität Wien und der Wienbibliothek veranstaltet wird, soll eben jene Dialektik von Tradition und Moderne, Modernität und Antimodernität mit Blick auf wichtige Vertreter der Wiener Moderne in der Frühphase ihres schriftstellerischen Schaffens, Leopold von Andrian, Hermann Bahr, Hugo von Hofmannsthal, Karl Kraus, Richard Schaukal und Arthur Schnitzler in den Blick nehmen.
Programm
Montag, 15.12. 2014
Musiksammlung der Wienbibliothek, Loos-Räume, Bartensteingasse 9/1. Stock
Begrüßung: 13:30
I. Hugo von Hofmannsthal
14:00-14:20 Konrad Heumann: „Unser Dasein starrt von Büchern“. Zum Verhältnis von Tradition, Produktion und Leben bei Hugo von Hofmannsthal
14:20-14:40 Wilhelm Hemecker: Das gerettete Ich. Hugo von Hofmannsthals Picasso
14:50-15:10 David Österle: Von „nebensächlichen Kleinigkeiten der Culturgeschichte“. Hugo von Hofmannsthal und das Museale.
15:10-15:30 Albert Dikovich: Intakte Räume bei Hugo von Hofmannsthal
15:30-16:00 Diskussion
Kaffeepause: 16:00-16:30
II. Richard Schaukal
16:30-16:50 Claudia Girardi: Richard von Schaukal - Trotziger Grenzgänger zwischen Moderne und Tradition
16:50-17:10 Andreas Wicke: „Glücklich, wer von uns seufzend noch ‚Damals!‘ sagen kann.“ Richard Schaukals Wege aus der Moderne
17:10-17:30 Cornelius Mitterer: Phönix aus der Asche. Schaukals intermediale Transferbeziehung zur Renaissance
17:30-18:00 Diskussion
III. Hermann Bahr
18:10-18:30 Elsbeth Dangel-Pelloquin: Der überwundene Überwinder. Hermann Bahrs Revokationen der Moderne.
18:30-18:50 Norbert Bachleitner: Der Naturalismus ist ein „Zwischenakt“: Hermann Bahr und die Tradition
18:50-19:10 Diskussion
Abendausklang bei Brot & Wein bis ca. 21:00